Das Blut Von Brooklyn
Lobby warten, mit nichts zu lesen außer alten Ausgaben des New Yorker und Town & Country .
Ich fummle eine Lucky aus der Packung und stecke sie mir in den Mund.
– Ähem.
Ich sehe zu dem Riesen hinter dem Empfangsschalter auf.
– Ähem was?
Er wedelt drohend mit seinem Stift.
– Nicht hier drin.
Ich zücke mein Zippo.
– Was ist los mit euch? Der Rauch tut uns nichts. Das ist doch das Beste am Vyrus. Der Krebs hat keine Chance, Mann.
Ich klappe das Feuerzeug auf.
Er legt den Stift auf den Tisch und achtet peinlich genau darauf, dass er parallel zur Schreibunterlage ausgerichtet ist.
– Denk nicht mal dran.
Ich tippe gegen die Spitze der unangezündeten Zigarette.
– Dafür ist’s jetzt wohl zu spät, Sportsfreund. Ich hab nämlich bereits dran gedacht.
Er lächelt. Zweifellos hofft er insgeheim, dass ich die Zigarette endlich anzünde, damit er aufhören kann, an der PowerPoint-Präsentation für seinen Boss herumzubasteln, um mich ordentlich in die Mangel zu nehmen.
– Dann denk ganz schnell wieder an was anderes.
Ich mustere ihn genauer. Ein verdammter Schrank von einem Kerl. Ich bin ja selbst nicht gerade zierlich, doch sein Jackett könnte ich glatt als Wintermantel tragen. Trotzdem würde mich echt interessieren, ob ich es schaffe, ihm ein paar Kugeln in die Fresse zu verpassen, bevor er den Rezeptionsschalter durchbricht, sich auf mich stürzt, mir seine Finger in den Leib bohrt und die Rippen aus dem Brustkorb reißt.
Ich muss mir echt nichts beweisen, aber der Scheißkerl geht mir auf die Nerven. Wie er damals mit Predo in meine Wohnung eingedrungen ist und mich durch die Gegend geworfen hat, damit hatte er’s endgültig bei mir verschissen. Nicht, dass ich ihn vorher gut hätte leiden können, dieses verschissene Koalitionsschwein.
Leider hab ich keine Knarre dabei. Und selbst wenn, hätte ich nicht den Mumm, sie zu ziehen.
Also lasse ich das Zippo wieder in die Tasche gleiten, nehme einen tiefen Zug von der unangezündeten Zigarette und puste eine große Wolke imaginären Rauch in seine Richtung.
– Das ist ja wohl nicht verboten, oder?
Er kneift die Augen zusammen.
– Früher oder später schon.
– Was? Früher oder später wächst dir vielleicht mal so was wie ein Hirn, wenn du Glück hast.
Er steht auf. An einem schönen Tag im Freien würde er jetzt die Sonne verdunkeln.
– Früher oder später wirst du Scheiße bauen und wieder auf der Straße landen. Früher oder später wirst du keinen Clan mehr hinter dir haben. Früher oder später bist du wieder unabhängig, und es interessiert keinen, was mit dir passiert. Dann wird sich niemand drüber aufregen, wenn ich dich an den Füßen hochhalte und ausnehme wie einen Truthahn zu Thanksgiving.
Was soll man darauf schon groß erwidern? Besonders da seine düsteren Prophezeiungen nicht ganz unrealistisch sind.
Hätte ich nur die Knarre mitgenommen.
Das Telefon auf dem Empfangsschalter klingelt. Er drückt einen Knopf und hebt ab.
– Jawohl. Ich werde ihn sofort zu Ihnen schicken, Mr. Predo.
Er schließt die Augen und runzelt die Stirn.
– Jawohl, Sir. Das war unverzeihlich. Es wird nicht wieder vorkommen.
Er legt auf, öffnet die Augen wieder, die Stirn nach wie vor in Falten gelegt.
– Mr. Predo wird Sie jetzt empfangen.
Ich erhebe mich.
– Ich muss mich für mein anmaßendes Verhalten entschuldigen. Ich habe meine Kompetenzen weit überschritten. Eine einfache Bitte, hier nicht zu rauchen, hätte vollauf genügt.
Er setzt sich, nimmt den Stift in die Hand und tut so, als würde er etwas in einen Terminkalender schreiben.
Ich stelle mich vor den Empfangsschalter.
Er sieht auf.
– Ja?
– Ich habe kein Tut mir leid gehört.
Seine Finger verkrampfen sich um den Edelstahlgriff seines Stifts und zerdrücken ihn glatt.
– Es tut mir leid.
Ich schnippe unsichtbare Asche auf seinen Schalter und schlendere auf die Treppe zu.
– Steck dir deine bekackte Entschuldigung an den Hut. Sobald ich die Gelegenheit dazu kriege, probier ich aus, wie viel Kugeln in deinen hohlen Schädel passen.
Er drückt auf den Knopf, der die Tür aufspringen lässt, und murmelt dabei irgendetwas über meine Mutter.
Als ob mich meine Mutter einen Scheiß interessiert.
– Ich muss mich doch sehr wundern, Pitt.
Das Ganze erinnert mich an die wenigen Tage in meiner Kindheit, an denen ich zur Schule ging. Diese Tage endeten unweigerlich im Büro des Direktors oder auf der Polizeiwache. Die Vorträge. Die rhetorischen
Weitere Kostenlose Bücher