Das Blut Von Brooklyn
vielleicht, dass er was über das Vyrus herausfindet.
Er seufzt.
– Fachbücher. Armer Terry. Er denkt so... materiell.
Er stellt die Füße auf die Rampe und erhebt sich.
– Wenn du nur medizinisches Wissen über das Vyrus von ihm bekommen willst, hättest du ihn sterben lassen sollen. Im üblichen Sinn.
Ich starre auf den Abfall im Rinnstein.
– Ich muss ihn irgendwelchen Kram fragen.
– Tja, egal ob du ihn irgendwelchen Kram fragen willst oder nicht, wir werden ihm auf jeden Fall helfen.
– Ich wusste nicht, dass ihr euch neuerdings um die Armen und Schwachen kümmert.
Er deutet in die Dunkelheit des Lagerhauses.
– Das nun nicht gerade. Aber er gehört zur Enklave.
– Was zum Henker?
Er kratzt sich den Kopf.
– Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Und doch ist er einer von uns.
– Wie, du musst ihn nur ansehen und weißt sofort, dass er zum Club gehört?
Er zuckt mit den Schultern.
– Genauso ging es mir, als ich dir zum ersten Mal begegnete. Entweder gehörst du zur Enklave oder nicht. Und wenn du dazugehörst, lässt es sich weder verdrängen noch verbergen. Ob du nun an die Enklave glaubst oder nicht – sie glaubt an dich. Das Vyrus verrät es mir.
– Bei deinen Überzeugungen, Daniel, frage ich mich, ob du nicht irgendwann vergisst, dich von der Sonne fernzuhalten.
– Was denn für Überzeugungen, Simon?
– Gute Frage, Mann. Keine Ahnung.
Er schüttelt den Kopf.
– Das war keine rhetorische Frage. Ich will, dass du meinen Glauben in Worte fasst. Wenn du meine Hilfe in Anspruch nehmen willst, ist das meine Bedingung.
Ich schaue mich um, um ihn nicht ansehen zu müssen.
– Also das, Mann, das ist echt kompliziert.
– Nein. Es ist ganz einfach.
– Also. Ihr Jungs, die Enklave, ihr glaubt, das Vyrus ist, wie sagt man, spirituell. Übernatürlich. Ihr denkt, es frisst uns auf, und wenn wir sterben, werden wir in die Welt des Vyrus überwechseln. Und wenn ihr es aushungert und gerade so viel Blut trinkt, um am Leben zu bleiben, dann werdet ihr, Himmelarsch, keine Ahnung, so was wie das Vyrus selbst. Nur dass ihr in dieser Welt bleibt. Aber Scheiße, warum ihr das wollt, weiß ich wirklich nicht.
Er starrt auf den Boden.
– Die Enklave testet ihre Grenzen, Simon. Schritt für Schritt geben wir diese Welt auf, bringen unser physisches Selbst dem Vyrus dar. Wir zwingen es, uns in einem viel höheren Maß zu verzehren, als es bei einem gut genährten Körper der Fall wäre. Schritt für Schritt erreichen die Jünger ihre Grenze, versagen, erkennen ihre eigene Unzulänglichkeit und sterben in der Dunkelheit. Aber so wird es nicht immer sein, Simon. Folgendes wird geschehen.
Sein Mund nähert sich meinem Ohr. Ich spüre die Hitze seines Körpers, die noch viel größer ist als die des Grafen. Es ist eine unermessliche Hitze.
– Eines Tages wird, und das ist schon sehr oft geschehen, einer von uns die Tore dieses Hauses aufstoßen und nackt in das Sonnenlicht treten. Und nicht verbrannt werden. Das Vyrus wird seinen Wirt gänzlich verzehren und ihn in etwas verwandeln, das nicht von dieser Welt ist. Wenn das geschieht, wenn einer von uns auf die Ebene des Vyrus hinüberwechselt, dabei jedoch seine Körperlichkeit behält, kann er die anderen auf den rechten Weg führen. Wir werden die wahren Gefäße des Vyrus sein. Dann kann uns die Sonne nicht verletzen, und die Waffen dieser Welt können uns nichts anhaben, und wir werden als Boten das Vyrus hinaus in die Welt tragen. Jedem, ob stark oder schwach, wird das Vyrus zuteil werden. Die Welt wird zur Enklave werden, zum Vyrus selbst. So ist es vorherbestimmt. So wird es geschehen.
Er sitzt an meiner Seite und verbrennt meine Haut. Er ist völlig durchgeknallt.
Ich bewege mich nicht.
– Es gibt nur hundert von euch.
Er tritt einen Schritt zurück und hebt die Arme.
– Nun, wir tun, was wir können.
Er dreht sich um.
– Daniel?
– Hm?
– Du weißt, dass der Graf zur Enklave gehört?
– Ja.
Ich starre seinen Rücken an.
– Das Vyrus hat es dir gesagt, stimmt’s? Erzählt es dir noch andere Dinge?
Seine Schultern heben und senken sich.
– Nämlich?
– Angenommen, du triffst jemanden zum ersten Mal. Kannst du dann sagen, ob ihn das Vyrus umbringen wird? Oder ob es ihn zu einem von uns macht?
Er legt den Kopf in den Nacken. Ich kann die Fugen zwischen den Schädelplatten unter seiner Kopfhaut erkennen.
– Ja. Das ist mir tatsächlich möglich.
– Kann ich dir mal jemanden vorbeibringen?
Er hebt eine
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