Das Blut Von Brooklyn
Hand.
– Komm morgen früh wieder, Simon. Dann wird dein Freund einen klaren Kopf haben, damit du mit ihm reden und deine Fragen stellen kannst. Wenn ich mir etwas ansehen soll, dann bring es einfach mit.
Er tritt in die Dunkelheit.
Ich mache einen Schritt auf das Tor zu.
– Morgen früh?
Die weiße Gestalt ist kaum noch zu erkennen.
– Kurz vor Sonnenaufgang. Danach werde ich weggehen.
Ein weiterer Schritt.
– Weggehen?
Er wird noch einmal kurz von einer einzelnen Kerzenflamme beleuchtet.
– Hier gibt es nichts mehr für mich zu tun, Simon. Du weißt, dass ich versagt habe. Hast du gedacht, ich halte ewig durch? Die Zeit ist gekommen, um herauszufinden, was das Vyrus von mir verlangt. Die Sonne wird mir den Weg zeigen.
Ich stelle mich vor den dunklen Eingang, trete aber nicht ein.
Stattdessen mache ich mich in östlicher Richtung davon, verlasse das Niemandsland, das die Enklave umgibt. Eine Gegend, die ich immer allein durchquere, weil mit der Enklave keiner was zu tun haben will. Möglicherweise kehre ich schon vor Sonnenaufgang wieder hierher zurück.
Und dann komme ich nicht alleine.
– Joe.
Ich blicke auf. Kaum habe ich einen Fuß auf die östliche Seite des University Place und damit über die Grenze des Societygebiets gesetzt, wartet auch schon Hurley auf mich.
– Hurl.
Er schiebt einen Zahnstocher von einem Mundwinkel in den anderen und deutet dann damit in östliche Richtung.
– Terry hat versucht, dich anzurufen.
– War nicht zu Hause.
– Hat Terry auch gesagt.
– Der Mann ist ein Scheißhellseher.
– Sieht ganz so aus. Hat mir nämlich auch gesagt, du bist bei der Enklave. Kann’s kaum fassen, dass sich da jemand freiwillig hin wagt.
– Tja. Sag Terry, ich komm später vorbei. Ich hab noch was zu erledigen.
Ich schieb mich an ihm vorbei, da lässt er seine Hand auf meine Schulter fallen und kugelt sie mir fast aus.
– Terry will dich sprechen, hab ich gesagt.
Ich werfe einen Blick auf die Hand, die tonnenschwer auf meiner Schulter lastet.
– Bei allem nötigen Respekt, Hurley, aber nimmst du bitte deine Pfote da runter?
Er pflückt mit der freien Hand den Zahnstocher aus dem Mund.
– Markier nicht den Dicken, Joe. Schon klar, bist der Sicherheitschef, aber Terry is nun mal der Boss, und wenn er pfeift, springst du. Also, bei allem nötigen Scheißrespekt für deinen Job und alles, entweder du kommst jetzt freiwillig, oder ich prügel dich windelweich und schleif dich mit.
Ich lecke mir über die Lippen.
– Klingt ja echt dringend.
Er steckt den Zahnstocher wieder in den Mund.
– Scheiße, was weiß ich? Bin nur der Scheißhandlanger.
Der Apfelkuchen im Odessa Diner ist beschissen. Ich bestelle ihn trotzdem.
Terry nimmt die vegetarischen Piroggen.
– Wirklich, Joe, an solche Sachen müssen wir uns gewöhnen. Unsere Welt wächst, ob uns das nun gefällt oder nicht. Daran ändern wir auch nichts, indem wir uns abschotten. Überleg doch mal. Wenn wir einfach nur auf unserem Territorium zwischen der Houston, der Fourteenth, dem Fluss und der Fifth Avenue hocken bleiben, während die Welt drumherum weiterwächst, dann, also dann werden wir immer kleiner. Wenn man darüber nachdenkt, könnte man direkt ausflippen.
Ich nehme meine Gabel in die Hand und stochere in dem Kuchen herum, der kein bisschen verlockender aussieht als vorhin, als der Kellner ihn mir hingestellt hat.
Ich lege die Gabel wieder weg.
– Ist mir scheißegal, was zwischen heute und morgen Nacht mit der Welt passiert. Ich hab echt andere Sorgen und fahr ganz bestimmt nicht nach Scheißbrooklyn.
Terry schneidet eine Pirogge in zwei Hälften und tunkt sie in Apfelsoße.
– Versteh ich ja, Mann, versteh ich vollkommen. Brooklyn. Wow. Ich meine, da haben wir jahrelang über diesen Ort geredet, als wäre es eine ganz andere Welt. Unerforschtes Land. Als müsste erst Kolumbus oder wer kommen, um es zu entdecken, stimmt’s? Nach Brooklyn? Es wäre verrückt, das einfach von jetzt auf gleich von dir zu verlangen. So was will geplant sein, wie eine Expedition mit, keine Ahnung, Sherpas und dem ganzen Kram.
Er schiebt sich die halbe Pirogge in den Mund, kaut und schluckt.
– Aber das Problem, das Problem ist unsere kleine Auseinandersetzung mit dem Boss der Docks und seinen Leuten. Das hat wohl Wellen geschlagen.
Er zieht die andere Hälfte der Pirogge durch die Apfelsoße.
Ich deute auf seinen Teller.
– Mit saurer Sahne schmecken sie besser.
Er nickt.
– Ich versuche, auf
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