Das Blut Von Brooklyn
Desinfektionsmittelmarke als das Zeug, mit dem sie hier saubermachen.
– Wieso die Trachealkanüle?
Ohne vom Bildschirm ihres Computers aufzusehen hebt sie die Hand und reibt den Zeigefinger gegen den Daumen. Ich packe ihr Handgelenk. Ich müsste einfach nur ziehen und drehen, und schon wären Elle und Speiche nur noch Brei, und ich könnte ihr die abgerissene Hand in den Schoß werfen und einen Abgang zur Melodie ihrer Schreie machen.
Sie glotzt auf meine Finger, die ihr Handgelenk umklammern.
– Würden Sie mich bitte loslassen, Sir?
Es ist nicht ihre Schuld. Evies Krankheit hat absolut nichts mit dieser Schwester zu tun. Sie versucht auch nur, über die Runden zu kommen.
Ich drücke zu.
Sie stöhnt auf.
Ich ziehe sie aus ihrem Stuhl.
– Wozu das verdammte Loch in ihrem Hals?
Sie legt ihre Hand auf meine, zieht an meinen Fingern, überlegt es sich dann aber anders und tätschelt sie, als würde sie mich beruhigen wollen.
– Die Herpesläsionen haben sich in ihre Kehle ausgebreitet, was zu einer Anschwellung infolge einer gravierenden Speiseröhrenentzündung geführt hat.
Ich lasse sie los. Sie fällt in den Stuhl zurück, hält sich das linke Handgelenk und besieht sich den dunklen Ring blauer Flecken darauf.
Ich lege einen Fünfziger auf ihren Tisch. Dann überlege ich es mir anders, stecke ihn wieder ein und verschwinde.
Als ich einsteige, sieht Lydia von dem Stadtplan auf, den sie über dem Armaturenbrett ausgebreitet hat.
Ich deute darauf.
– Wie kommen wir da auf schnellstem Weg hin?
Sie zeichnet mit ihrem Fingernagel eine Linie nach.
– Wir nehmen den FDR bis zum BQE.
Ich drehe den Zündschlüssel und starte den Motor.
Sie klopft gegen die Sperrholzwand, die die fensterlose Ladefläche des Lieferwagens von der Fahrerkabine trennt.
– Wenn was schiefgeht, versuchst du auf keinen Fall, mich zu retten. Bleib einfach hier hinten, solange die Sonne scheint.
Ich werfe einen Blick durch die Windschutzscheibe auf das Krankenhaus, dann drehe ich mich um, schlage ein Loch in das Sperrholz und drücke so lange dagegen, bis es krachend auf die Ladefläche fällt. Jetzt kann das Licht ungehindert durch die Windschutzscheibe ins Innere des Wagens dringen.
Lydia hebt ein Stück Holz auf, sieht es sich an und hält es mir vor die Nase.
– Scheiße, Pitt. Was, zum Teufel, soll das?
Ich lege den ersten Gang ein.
– Betrachte es als kleinen Anreiz, die Sache noch vor Sonnenaufgang durchzuziehen.
Ich fahre los, ignoriere eine rote Ampel und rase auf den FDR zu.
– Wonach hältst du Ausschau?
Wir fahren am östlichen Ende von der Manhattan Bridge ab und kurven über eine endlose Abfolge von Auffahrtsrampen und Abbiegespuren zum Brooklyn-Queens-Expressway.
– Nach Straßenschildern.
Lydia nimmt den Fuß vom Armaturenbrett, beugt sich vor und sieht mir ins Gesicht.
– Gelogen.
Ich deute aus der Windschutzscheibe.
– Die Arschlöcher, die diesen Scheiß hier gebaut haben, wollten uns anscheinend umbringen. Also suche ich nach Schildern, die uns davor bewahren, in einen Betonhaufen zu krachen.
Sie lehnt sich zurück und legt die Füße wieder hoch.
– Du denkst an einen Hinterhalt.
Ich umklammere das Lenkrad noch fester.
– Nein, stimmt nicht.
Sie überkreuzt die Beine.
– Du hältst nach einem Haufen wilder Infizierter im Lendenschurz Ausschau. Oder nach Zombiefallschirmjägern. Drachen. Du bist in der Wildnis, und jetzt hast du Angst, dass dich Löwen, Tiger oder Bären fressen.
Ich höre auf, Straßenränder, überhängende Baumäste, Überführungen und überholende Autos misstrauisch zu beäugen. Ich verkneife mir, hinter all dem einen Hinterhalt zu wittern.
– Ich fahr doch nur.
Sie tippt mit einem ihrer Doc Martens gegen die Windschutzscheibe.
– Hast du die Insel schon mal verlassen? Früher, mein ich.
– Ich bin in der Bronx geboren.
– Du bist ein typischer New Yorker. Warst noch nie irgendwo. Ich bin gereist. Hab ein Semester in Europa studiert, in Italien. Bin überall gewesen. Eigentlich stamme ich von der Westküste. Kurz bevor ich nach New York kam, bin in einen ganzen Monat lang durchs Land gefahren. Ich war in Kanada, Costa Rica, Mexiko und als Kind sogar auf Hawaii. Ich war sogar in der bekackten Disney World. Der ekelhafteste Ort der Welt. Die Bankrotterklärung der Konsumgesellschaft.
Ich zünde mir eine frische Zigarette an der Kippe der alten an.
– Funktioniert das Radio?
– Klar.
Ich werfe die Kippe aus dem Fenster.
– Machst
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