Das Blut Von Brooklyn
Lendenschurz freigibt, der an einem Esstisch mit stumpfen Silberkerzenleuchtern und angeschlagenem Porzellan sitzt.
– Wenn sie nicht so durch und durch sexistisch wäre?
Zwei pummelige Mädels in hohen Lederstiefeln und zerschlissenen Spitzenkorsetts, mit Schlangentattoos und schwarz bemalten Lippen betreten die Bühne. Eine bindet dem Glasfresser eine Serviette um, während die andere ein Tablett mit einer silbernen Haube vor ihn hinstellt. Zu einem eher lustlosen Tusch lüftet sie die Haube. Darunter kommt eine große Suppenschüssel voll rostiger Nägel, Glassplitter, zerbrochener Metallfedern, Kronkorken, Rasierklingen und verbogener Nähnadeln zum Vorschein.
Er nimmt den Suppenlöffel vom Tisch, haucht ihn an, wischt ihn unter seiner nackten Achselhöhle ab, schaufelt eine ordentliche Portion des Schrotts darauf, lächelt ein zahnloses Lächeln, schiebt sich alles in die Fresse und kaut mit offenem Mund, so dass das Publikum stöhnt und quietscht. Blut und Fleischfetzen fallen zusammen mit Stahlstücken und Glassplittern aus seinem Mund. Er schluckt und schnieft, und eine feine Gischt von Blut schießt aus seinen Nasenlöchern.
Ich werfe die leere Popcorntüte auf den Haufen aus Bierdosen, Bierbechern, Bierflaschen und Hotdogverpackungen, der aus einer stinkenden Mülltonne quillt.
– Die Show wäre viel reizvoller, wenn ich nicht wüsste, dass er zu bluten aufhört, noch bevor er die Bühne verlässt, und morgen früh wieder so gut wie neu ist.
Die kleine Schar von Szenegängern aus Brooklyn, alteingesessenen Coney Islandern, Raufbolden und Kleinkriminellen schüttelt sich kollektiv vor Ekel und zuckt zusammen, als er ihnen Blut entgegenspuckt. Es klatscht gegen die durchsichtige Plastikfolie, die zwischen dem Publikum und der Bühne aufgespannt ist.
Die Falten auf Lydias gerunzelter Stirn vertiefen sich.
– So eine Verschwendung. Eine völlig unmoralische Verschwendung.
Ich stecke einen Finger in die Öffnung meiner sich dramatisch schnell leerenden Packung Luckys und zähle die verbleibenden Zigaretten.
– Ist doch nicht dein Blut.
Sie sieht mich an und schüttelt den Kopf.
– So denkst du also? Doch, Joe, es ist mein Blut. Meins und deins. Mehr noch, es ist das Blut der uninfizierten Menschen, die sich dieses Spektakel anschauen und keine Ahnung haben, was hier überhaupt vor sich geht.
Das Schauspiel nähert sich dem Ende, als der Glasfresser den Schrott zusammen mit einer nicht unbeträchtlichen Menge Blut und Fleischbrocken wieder hervorwürgt. Der Vorhang schließt sich.
Lydia beugt sich zu mir rüber, um mir über dem Lärm der auf die nächste Nummer wartenden Menge hinweg etwas zuzuflüstern.
– Mit diesem Blut hätte man das Leben von jemandem mindestens einen Tag verlängern können. Irgendjemand, der nicht das Geringste vom Vyrus weiß, wird das Blut, das dieses Arschloch gerade verschwendet hat, ersetzen müssen. Das ist genauso, als ob ein Hummer mit offenen Fenstern und bis zum Anschlag aufgedrehter Klimaanlage an dir vorbeifährt. Da kommt mir das Kotzen.
Die Stereoanlage wird knackend eingeschaltet, und Motörheads »Jailbait« dröhnt aus den Lautsprechern.
Die pummeligen Mädels haben ihre Oberteile abgelegt. Schwarzes Tape klebt kreuzweise über ihren Nippeln. Außerdem tragen sie jetzt zerrissene rote Satinstrumpfhosen. Die eine holt zwei Nagelbretter, die andere einen Vorschlaghammer hinter dem Vorhang hervor.
Ich deute mit meiner nicht angezündeten Zigarette auf die Bühne.
– Ich glaube, die nächste Nummer wird dich so richtig auf die Palme bringen.
Der Impresario hebt den Arm.
– Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vendetta und Harm werden Ihnen jetzt die esoterischen und erotischen Mysterien des fernen Ostens offenbaren!
Lydia springt von der Bank auf und stürmt mit gesenktem Kopf über den fadenscheinigen, auf dem Sand ausgelegten Teppich zum Ausgang.
Ich stecke mir meine letzte Zigarette in den Mund und sehe zu, wie sich das erste Mädchen zwischen die Nagelbretter zwängt, während das zweite Mädchen einen Stepptanz auf ihr hinlegt, wobei sie den Hammer wie ein Stöckchen schwingt. Noch mehr Blut fließt.
Ich habe inzwischen genug gesehen um zu kapieren, dass man bei der Nummer nicht lernen kann, wie man auf einem Nagelbrett liegt, ohne sich wehzutun. Ich folge Lydia nach draußen.
Die Fackeln, die vor dem Eingang in den Sand gerammt sind, flackern in der Brise, die vom Ozean herüberweht. Ölige Rauchschwaden verteilen sich über den Strand
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