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Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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und unter dem Boardwalk, der über dem Zelt aufragt.
    Lydia marschiert über den Sand auf das Wasser zu und wirbelt dabei mit ihren Docs kleine Staubwolken auf.
    – Sag mir Bescheid, wenn die Vorstellung vorbei ist. Wenn ich bleibe, mache ich bloß noch eine Szene.
    Ich spähe durch eine Lücke im Zelt, um nachzusehen, was die Mädels gerade machen. Ich denke, sie hat Recht.
    Mein Zippo kann ich bei diesem Wind vergessen, also zünde ich mir die Zigarette an einer Fackel an. Dann lehne ich mich gegen einen Stützpfeiler, lausche der Rockmusik und dem Keuchen und Kreischen des Publikums, rauche und betrachte den mondbeschienenen Ozean. Ich zähle die Sekunden, bis die Show endlich vorbei ist, ich den Chef der Freaks mitnehmen und endlich in mein normales Leben zurückkehren kann. Wenn man es denn so nennen will.
    – Kann ich auch eine haben?
    Ich brauche eine Sekunde, um ihn zu wittern und eine weitere, um ihn zu sehen.
    Ersteres, weil er gegen den Wind auf mich zukommt. Letzteres, weil er ein Scheißzwerg ist.
    Ich befühle das Päckchen zwischen meinen Fingern. Es sind noch drei Kippen übrig, also gebe ich ihm eine.
    Er nimmt die Zigarette und klopft auf die Taschen des Jeansoveralls, den er über seinem nackten, mit blauen Tätowierungen bedeckten Oberkörper trägt.
    – Feuer?
    Ich halte ihm meine Zigarette hin. Er zündet seine daran an und gibt sie mir wieder zurück.
    – Danke.
    Ich nehme einen Zug.
    – Wie ist das so?
    Er kratzt sich über den faltigen, kahlen Kopf.
    – Was?
    Ich strecke meine Hand etwa einen Meter über dem Sand aus.
    – Na, das Leben als Vampirzwerg. Muss ganz schön anstrengend sein, da jemandem an die Gurgel zu gehen.
    Er lächelt, zeigt mir sein ausschließlich aus stählernen Reißzähnen bestehendes Gebiss und deutet auf meinen Oberschenkel.
    – Das geht schon irgendwie, wenn’s drauf ankommt.
    Ich frage mich, ob ich es schaffe, ihn von hier bis ins Meer zu treten. Ob er schwimmen kann oder untergeht?
    Er zieht einen silbernen Flachmann aus der Seitentasche des Overalls, nimmt einen Schluck und hält ihn mir hin.
    – Bist du der Typ aus Manhattan?
    Ich lehne dankend ab.
    – Ich bin nur der Fahrer. Diejenige, die du suchst, steht da vorn am Wasser.
    Ich kann den braunen Rum im Flachmann riechen. Er nimmt noch einen Schluck und lässt ihn wieder in der Tasche verschwinden.
    – Wie wär’s, wenn du mit reinkommst und dir das Finale ansiehst?
    – Wie wär’s, wenn wir die Eselsfickerei oder was auch immer ihr als krönenden Abschluss präsentiert, überspringen und du deinen Chef holst, damit wir den Austausch durchziehen und ich endlich wieder von hier verschwinden kann?
    Er sieht zu mir auf und stößt eine Rauchwolke aus, die gerade so mein Gesicht erreicht.
    – Ich bin der Chef, Sportsfreund. Und bevor die Vorstellung nicht vorbei ist, geht hier niemand irgendwo hin.
    Er wirft mir die halb aufgerauchte Kippe vor die Füße.
    – Die kannst du fertig rauchen, wenn du willst.
    Er dreht sich um und geht auf die Rückseite des Zeltes zu.
    – Ich hab nämlich gleich meinen Auftritt.
     
    Es ist ein echter Knüller.
    Die Leute halten sich die Augen zu, kreischen und rennen aus dem Zelt. Ein paar fangen an zu heulen, und ein Pärchen, das die Show schon einmal gesehen hat, lacht und schüttelt ungläubig den Kopf.
    Der Zwerg steht mitten auf der Bühne, zieht Eingeweidestränge aus dem Loch, das er sich in seinen eigenen Bauch gebissen hat, und drapiert sie über die Schultern von Vendetta und Harm, die sie wie eine Nerzstola bewundern und ab und zu daran lecken.
    Lydia steht einfach nur da und sieht zu, aber das Missfallen ist ihr deutlich anzumerken.
    Der Zwerg hält sich eine Eingeweideschlinge vor den Mund und zeigt sein Stahlgebiss. Die Musik steigert sich zu einem völlig durchgeknallten, Guitar-Wolf-mäßigen Crescendo. Er reißt den Mund weit auf, seine Zähne blitzen im flackernden Fackellicht. Als sie zuschnappen, verlöschen die Fackeln, rote und blaue Stroboskoplichter pulsieren, und alle schreien, als der Zwerg zusammenbricht und sich die Mädels auf ihn stürzen, sein Fleisch zerreißen und es sich in den Mund stopfen. Der Typ, der am Anfang der Vorstellung die Muskelprotznummer abgezogen hat, kommt mit einer Henkersmaske auf die Bühne, schwingt ein Breitschwert und schlägt damit auf die fressenden Mädchen ein.
    Die Blitzlichter werden ausgeschaltet. Im Zelt ist alles dunkel, und die Schreie des Publikums sind jetzt eine Oktave höher.
    Ich rieche das

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