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Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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hat? Sie sind in einem ordentlichen Haushalt aufgewachsen? War er Jude? Ja?
    Sie betrachtet die zersplitterten Fliesen.
    – Was? Ja. Jude. Der ganze Quatsch. Wir alle. Ja, ja, aber kalifornische Juden sind anders als New Yorker Juden.
    – Pssst. Unsinn. Es gibt nur ein Judentum. Sehen Sie uns doch an, ja? Ich komme aus Polen. Können sie sich das vorstellen? Es ist die Wahrheit. Tief in einem dunklen Schiffsbauch wurde ich aus Polen hinausgeschmuggelt. Über das Meer. Bin ich denn anders als die New Yorker Juden? Wir mögen andersartig sein, aber trotzdem sind wir Juden. Ja, in der Tat. Wenn Ihr Vater sie jüdisch erzogen hat, dann sind Sie auch Jüdin. Und Ihre Mutter?
    – Wie gesagt, alles Juden. Bat Mizwa, das ganze Programm. Bis ich alt genug war, selbstständig zu denken.
    – Nun, sie müssen Sie sehr gut und liebevoll erzogen haben. Sie sind gesegnet, wenn Sie in einem solchen Leben bisher nur aus Notwehr töten mussten. Und bis heute niemals im Zorn. Niemals aus Gier oder Hunger. Wenn ich nur dasselbe von mir behaupten könnte.
    Er steht auf, um seinem Sohn in den Weg zu treten, der inzwischen sein Messer wiedergefunden hat und durch den Tempel auf mich zukommt.
    – Axler.
    – Aus dem Weg, Papa.
    – Junge.
    – Aus dem Weg.
    Axler hebt den Arm, um seinen Vater beiseitezuschieben.
    Der Rebbe packt das Handgelenk seines Sohns und dreht ihm den Arm um. Dann tritt er ihm in beide Knie. Axler geht zu Boden und streckt die freie Hand aus, um den Fall abzufangen. Dabei gleitet ihm das Messer aus den Fingern. Sein Vater zwingt den Arm so weit nach oben, dass sich sein Sohn vorwärtsbeugen muss, bis seine Stirn den Boden berührt und sein Gesicht in das Blut seines Onkels getaucht wird.
    – Junge, du hast schon genug angerichtet. Mehr als genug. Gibt es denn nichts, vor dem du zurückschreckst, um deine Sünden zu vertuschen? Du legst Hand an deinen Vater? Deinen Rebbe? Türmst wahre Leichenberge auf, um deine Toten darunter zu verbergen? Und dann beschwörst du die Sicherheit des Stammes, um deine Schande zu entschuldigen?
    Er lässt den Arm los und richtet sich auf. Axler bleibt auf den Knien.
    – Mein Sohn.
    Er geht zu dem Messer auf dem Boden und hebt es auf.
    – Mein ein und alles.
    Er geht mit dem Messer in der Hand auf mich zu.
    – Wissen Sie, wie viele ältere Brüder jener hatte?
    Er schiebt die Klinge zwischen die Lederriemen um meine Fußknöchel und durchtrennt sie.
    – Sechs. Sechs ältere Brüder. Älter und wahrscheinlich auch weiser.
    Dann schiebt er die Klinge zwischen die Riemen um meine Handgelenke und durchtrennt auch die.
    – Doch nur jener hat überlebt. Als er alt genug war, um von mir das Blut Gibeas zu empfangen, war nur er stark genug. Nur dieser eine von meinen sieben Söhnen.
    Er steckt das Messer in den Gürtel, geht zu Lydia hinüber, greift ihr unter den Arm und hilft ihr auf die Füße. Er führt sie zu einer Bank und setzt sie darauf.
    – Das Blut von Gibea wird nicht mit der Geburt weitergegeben. Obwohl seine Mutter und ich es in uns tragen, wurden unsere Kinder nicht damit geboren. Dieses Kriegerblut wird nicht durch den Akt der Liebe verbreitet.
    Er zieht ein Taschentuch aus der Hose und wischt Stretchs Blut von Lydias Händen.
    – Diejenige, die stark genug sind, empfangen das Blut schon in ihrer Jugend. Natürlich erst nach der Brit Mila, der Beschneidung.
    Er steckt das Taschentuch weg und beobachtet, wie ich mich aufsetze.
    – Stellen Sie sich vor, wir würden ihnen das Blut vor der Brit Mila verabreichen. Was würde der Mohel dazu sagen? Moment mal, das habe ich doch gerade eben abgeschnitten?
    Er lächelt schief.
    Dann steht er auf, geht zu seinem Sohn hinüber und legt ihm eine Hand auf den Rücken.
    – Steh auf, Axler, steh auf. Was du getan hast, ist eine Schande, zeugt aber auch von Stolz. Bist du nicht mein Sohn? Nichts, was du tust, wird das ändern können, nichts. Wir können es nicht ändern.
    Axler sieht von dem Blut zu seinen Füßen auf, hebt die Hände und streckt seinem Vater die Arme entgegen.
    – Papa.
    – Ist schon gut, Junge.
    – Papa.
    Der Rebbe macht einen Schritt auf ihn zu und drückt Axlers Gesicht an seinen Bauch. Axler legt seine Arme um ihn.
    – Ich habe Selig getötet, Papa. Und Chaim. Chaim ist tot. Die Leichen. Chaim ist verbrannt und... Fletcher. Fletcher ist auch tot. Wir haben Teile von ihm verloren. Und Elias’ Körper. Und noch einer. Wir wissen nicht, was ihm gehörte. Und die anderen, sie sind mitgekommen, weil ich ihnen

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