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Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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streicht über den gleichmäßigen weißen Lack auf dem Metall.
    – Du, du bist sehr erfahren. Mit dir kann ich über Frauenbeine reden. Doch ich wünschte, du hättest auch ein Bewusstsein für die Dinge, die größer als du selbst sind. Wie viel fruchtbarer wären unsere Unterhaltungen doch gewesen. Du hättest etwas lernen können. Hättest... Na ja. Wen interessiert’s? Dich nicht. Mich auch nicht. Jetzt nicht mehr.
    Ich sehe die Leute der Enklave an, die sich um uns versammelt haben. Alle sind da.
    Ich zupfe am Bund von Axlers Hose.
    – Daniel, ohne sie werde ich nicht gehen.
    Er legt beide Handflächen auf die Tür und lehnt seine Stirn daran.
    – Wenn du mir nur einmal zugehört hättest. Wenn du dir nur für einen winzigen Moment angesehen hättest, was hier vor sich geht, würdest du verstehen, was du gerade für einen Idioten aus dir machst.
    Ich will auf ihn losgehen, doch im gleichen Augenblick presst mich jemand gegen die Tür. Ich brauche einen Augenblick, um zu begreifen, dass Daniel mich an der Kehle gepackt und zu sich herangezogen hat.
    – Sieh dich um, Simon, sieh dich um. Was siehst du? Was siehst du hier?
    Ich sehe mich um. Ich sehe Daniel. Ich sehe die Enklave.
    Ich versuche, mich zu bewegen. Er verstärkt seinen Griff. Jeden Moment wird er mir den Kopf abreißen.
    – Ja. Du siehst immer nur das Gleiche. Die Enklave. Hier drin. Immer das Gleiche. Niemand kommt, niemand geht. Nur die Enklave bleibt.
    Sein Griff lockert sich wieder.
    – Und du fragst, ob das Mädchen so ist wie du. Sie ist wie du, wie ich oder jeder andere hier.
    Er nimmt die Hand weg.
    – Du gehörst zur Enklave.
    Dickflüssige, milchigweiße Tränen schießen in seine Augen.
    – Sie ist hier, ich habe sie hereingelassen. Also gehört sie auch zur Enklave.
    Ich stürze zur Treppe.
    Doch die Enklave hält mich mit eisernem Griff fest.
    Daniel wischt sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Er zittert und seine Zähne klappern. Er ballt die Fäuste, bis ein Knochen in seiner Hand bricht und sich durch die Haut bohrt. Als er langsam ausatmet, hört das Zittern auf. Doch seine Tränen fließen weiter.
    – Apropos Abschied. Sie wird die Gelegenheit bekommen, selbst zu entscheiden, ob sie hierbleiben will oder nicht.
    Er sieht zu den schwarz übermalten Deckenfenstern auf.
    – Im Moment bin ich der Einzige, der seinen Abschied nimmt.
    Er geht zum südlichen Tor, packt den Griff und reißt es auf. Sonnenlicht strömt herein, und die Enklavenmitglieder weichen zurück. Daniel marschiert auf die Verladeplattform, geht auf die Straße hinunter und über das Kopfsteinpflaster der Little West 12th Street, das unter dem abgenutzten Asphalt hervorragt. Die Sonne steht hoch über den Mietshäusern am östlichen Ende der Straße. Er wendet sich dem Licht zu. Die dünne weiße Robe gleitet von seinen Schultern zu Boden. Die Sonne spiegelt sich auf seiner weißen Haut. Er lächelt und sieht sich zu uns um.
    Ich beobachte ihn, wie er dort lächelnd in der Sonne steht, und einen Moment lang glaube ich, dass er es geschafft hat.
    Dann bedecken rote Pusteln sein Gesicht, genau wie bei Evie.
    Krebsgeschwüre quellen aus seinen Nasenlöchern und Ohren.
    Aus seinen zugeschwollenen Augen strömt dampfender Eiter.
    Sie lassen mich los und entfernen sich noch weiter vom Sonnenlicht. Ich reiße jemandem einen weißen Schal von den Schultern. Als ich mich zur Tür hinausschleppe, lockern sich die Knochen in meinem Knie. Ich wickle den Schal um meinen Kopf. Sowie ich Daniels Handgelenk packe, löst sich die Haut vom Knochen. Ich fasse ihn unter den Achseln und hebe ihn vom Kopfsteinpflaster. Zum zweiten Mal schleppe ich ein krankes, kaputtes Ding in die Finsternis zurück.
    Diesmal jedoch nimmt es mir niemand ab.
    Geräusche dringen aus dem unförmigen Tumorklumpen, der einmal sein Gesicht war. Ich lege mein Ohr an eine blutige, von Knochen umrandete Öffnung. Er stinkt nach Gift.
    Eine Masse, die einmal eine Hand war, berührt mein Gesicht.
    – Bis bald, Joe.
    Und dann lacht er, hustet seine Lunge auf den Boden und stirbt.
    Bis auf das Geräusch des Tors, das wieder geschlossen wird, ist nichts zu hören. Sobald es dunkel ist, splittert Glas. Ein großer schwarzer Vogel fällt nur wenige Meter von uns entfernt auf den Boden. Er liegt direkt in einem Strahl morgendlichen Sonnenlichts, als wäre er davon durchbohrt worden.
     
    – Okay, Mann. Das war jetzt echt abgefahren.
    Ich sehe auf. Der Graf kommt die Treppe herunter. Er trägt Weiß.
    –

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