Das Blut Von Brooklyn

Also ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich hatte ’ne echt beschissene Nacht. Klar, das ist keine große Sache. Nicht hier. Ich glaube, dass hier seit Uuuuuurzeiten nichts passiert ist, was man nicht als abgefahren beschreiben könnte. Aber wem sag ich das? Oh, Mann, machen die das jedes Mal?
    Sie haben Daniel an den Füßen aufgehängt und einen Eimer unter ihm aufgestellt. Ein Mitglied der Enklave durchtrennt seine Kehle, doch aus der Wunde strömt kein Blut.
    Ich klopfe meine Taschen nach Zigaretten ab. Dann stecke ich mir eine in den Mund und suche nach meinem Feuerzeug. Als sie anfangen, ihn von oben bis unten aufzuschlitzen, wende ich mich ab.
    Der Graf beugt sich vor und hält mir ein Plastikfeuerzeug hin. Ich zucke zusammen, blinzele und zünde die Zigarette an.
    Er steckt das Feuerzeug wieder ein.
    – Joe, deine Hände zittern.
    Ich stecke die Zigarette in den Mund und die Hände in die Achselhöhlen.
    – Mir ist kalt.
    Er streicht über seine eigene Haut.
    – Wem sagst du das. Hier ist es so kalt wie in einem gottverdammten Kühlschrank.
    Sie fangen an, Daniel die Eingeweide aus dem Körper zu zerren.
    – Oh Mann, wie eklig. Wer will denn so einen Scheiß mitansehen? Krass.
    Er setzt sich neben mich auf den Boden.
    – Aber so läuft das hier. Wenn einer stirbt, egal wer, wird er ausgenommen und an die Wand genagelt. Ist wohl so eine Art Lektion für die anderen. Das haben sie mir jedenfalls so gesagt.
    – Sie kochen seine Knochen und essen das Mark.
    Er sieht mich an.
    – Ohne Scheiß?
    Ich ziehe eine Hand hervor. Sie hat aufgehört zu zittern. Ich nehme die Zigarette aus dem Mund.
    – Ja. So läuft das hier.
    – Wow. Mann. Da freu ich mich nicht gerade drauf.
    Er stößt mich mit der Schulter an.
    – Andererseits sind es schließlich die Knochen, in denen das Blut entsteht. Im Knochenmark. Also, beim Erwachsenen gibt’s nur ein paar Orte, wo das passiert. Im Rückgrat, im Brustbein, in der Hüfte und in ein paar winzigen Stellen in den Oberarmen und Beinen. Genau da kommen die guten alten, höchst umstrittenen, pluripotenten, blutbildenden Stammzellen her. Ha, versuch mal, diesen Scheißsatz fünfmal hintereinander fehlerfrei zu sagen. Egal. Stammzellen bilden Blutzellen, oder vielmehr legen sie fest, ob eine Zelle eine Blutzelle wird. Darüber solltest du mal nachdenken. Du trinkst das Blut eines anderen Vampyrs, und dir wird speiübel. Es sei denn, der Betreffende wurde soeben erst infiziert, das ist dann Anathema. Darauf wirst du natürlich superhigh. Und was passiert, wenn man das Knochenmark eines toten Vampyrs futtert? Seine Stammzellenfabrik?
    Er leckt sich über die Lippen.
    – Ich vermute, dass man so high wird wie Carlos Castaneda und eine ganze Bande pilzfressender Amazonasschamanen zusammen.
    Er schüttelt den Kopf.
    – Diese komische Suppe muss ich unbedingt mal probieren. Ich darf nur nicht drüber nachdenken, woraus sie eigentlich gemacht ist.
    Sie ziehen einen Tumorklumpen aus Daniels Körper.
    Der Graf wendet sich ab.
    – Sollen wir woanders weiterreden?
    Er erhebt sich.
    Teile von Daniel fallen auf den Boden.
    Ich stehe ebenfalls auf. Der Graf will mir helfen, doch ich weiche zurück, stolpere und verliere um ein Haar das Gleichgewicht.
    Er hebt entschuldigend die Hände.
    – Alles klar, Mann. Wollte nur helfen.
    Ich folge ihm.
    Er humpelt, weil ich ihm den Fuß ruiniert habe. Ich humple wegen des Knies, das Daniel mir wieder richten wollte.
    – Ach ja, vielen Dank noch mal. Ich weiß zwar nicht mehr genau, was da in meiner Wohnung alles passiert ist. Aber so weit ich es mitbekommen habe, wäre es wohl das Einfachste gewesen, mich umzulegen.
    Er grinst.
    – Was aber ziemlich unwahrscheinlich war, da ich nach wie vor der Einzige bin, der Zugang zu meinem Treuhandfonds hat. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass du mich zwar nach Herzenslust rumschubsen darfst, Terry aber stocksauer wird, wenn du mir das Licht ausbläst, bevor er meine fetten Bankkonten in die Finger bekommt.
    Er bleibt stehen, blinzelt ein paar Mal und holt tief Luft.
    – Tschuldige. Wow. Die Scheiße, die ich in den letzten zwölf Stunden durchgemacht hab, macht mich echt fertig. Erst der kalte Anathemaentzug. Das Vyrus war völlig ohne Nachschub. Das war echt extreme Scheiße, Mann. Klar, ich wusste, das wird kein Spaziergang, aber, Mann!
    Er wackelt mit dem Kopf.
    – Bammbammbamm! Scheiße, ich war völlig im Arsch. Oh, sieh dir die an.
    Vor uns liefern sich zwei Enklavenmitglieder einen