Das Blut von Magenza
hingegen schob Entscheidungen meist vor sich her.
„Du brauchst gar nicht zu Boden schauen. Denkst du, ich wüsste nicht, was zwischen euch vorgeht? Ich bin ein Mann genau wie du. Ich gebe zu, dass sie alles besitzt, wasein Weib besitzen sollte, aber sie ist zu eigenwillig. Was sie anbelangt, denkst du nicht mit dem Kopf und das ist ein Fehler. Was wissen wir eigentlich wirklich über sie?“, fragte er, ließ aber Dithmar gar nicht zu Wort kommen. „Nichts! Oder so gut wie nichts. Abgesehen davon, dass sie allein lebt, – was ich eindeutig missbillige – frage ich mich, woher sie ihr Geld bekommt?“
„Sie scheint jedenfalls genug zu besitzen, was dafür spricht, dass sie es nicht auf mein Vermögen abgesehen hat!“, verteidigte Dithmar Griseldis.
„Ach ja? Sie könnte sich das Geld leihen und nur darauf warten, einen reichen Trottel zu finden, der ihre Schulden tilgt.“
Dithmar ärgerte sich, dass sein Vater ihn indirekt als Trottel titulierte. „Frag doch bei den Geldverleihern nach, ob sie ihr Kredite gewähren. Dann weißt du Bescheid.“
„Das werde ich auch tun und wehe es ist so, dann siehst du sie nicht wieder.“
„Vater, ich bin ein erwachsener Mann!“
„Der von meinem Geschäft lebt!“
„Du kannst dich nicht beklagen, ich arbeite hart dafür! Was hat sie dir denn getan, dass du so ein hartes Urteil über sie fällst? Du kennst sie doch gar nicht!“
„Genau das ist es. Deshalb möchte ich auch nicht, dass du mir ihr anbandelst.“
„Ich besitze ausreichend Menschenverstand und bin kein Dummkopf!“, ereiferte sich Dithmar.
„Die Liebe machte schon gestandenere Männer als dich dazu, glaube mir.“
Nun hatte Dithmar endgültig genug. „Und was ist mit dir? Du hast eine junge Geliebte und das ohne den Segen der Kirche“, zischte er scharf.
Bevor er sich´s versah, fing er sich eine schallende Maulschelle ein. „Du hast kein Recht mich zu kritisieren. Ich bin dein Vater und als mein Sohn hast du zu gehorchen.“
Dithmar rieb sich seine schmerzende Wange und grollte im Stillen weiter.
„Versteh doch, ich will dich nur vor einem falschen Schritt bewahren, den du möglicherweise dein ganzes Leben lang bereust“, sagte Bertolf etwas versöhnlicher.
„Dann verbietest du mir also den Umgang mit Griseldis?“, vergewisserte sich Dithmar.
„Nein, das tue ich nicht“, äußerte sein Vater zu seiner Überraschung. „Ich bitte dich nur, nichts zu übereilen. Prüfe sie genau und lass dich zu keinen voreiligen Versprechen hinreißen. Ich werde Erkundigungen über sie einholen, was einige Zeit dauern wird. Bis dahin gedulde dich. Solltest du Griseldis aber ohne meine Zustimmung ehelichen, bist du nicht länger mein Sohn! Dann fällt mein Erbe an jemand anderen.“
Daraufhin war Dithmar sprachlos vor Wut in seine Kammer gestürmt, sein Vater dagegen setzte sich an den Tisch und stürzte einen Becher Wein hinunter. Er hatte dieses Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt und unter günstigeren Bedingungen führen wollen. Für seinen Sohn wünschte er sich eine gefügige, angepasste Frau, die allgemein akzeptiert wurde, was auf Griseldis in keiner Weise zutraf.
Donnerstag, 3. Januar 1096, 6. Schewat 4856
Auf dem Weg nach Magenza
Seit Jonah die Grenze überquert hatte, folgte er der direkten Handelsroute nach Mainz. Heute näherte sich seine Reise dem Ende und gleich würde er am Ziel sein. Er hatte die Straße über den Gau genommen und befand sich auf der Anhöhe oberhalb der Stadt. Ihre Silhouette beeindruckte ihn jedes Mal aufs Neue. Der intakte Ring der Stadtmauer mit seinen zahlreichen Wehrtürmen umschloss den Stadtkern mit seinen Kirchen, Klöstern und den Häusern. Magenza machte einen wehrhaften Eindruck und war sicher nicht leicht einzunehmen. Doch nach den Erfahrungen aus Rouen war Jonah sich nicht sicher, ob sie auch dem Ansturm der Kreuzfahrer standhalten würde.
Er hatte ganz vergessen, wie sehr die vielen Kirchtürme das Stadtbild dominierten. Die Synagoge war von hier oben nicht zu sehen. Ihm am nächsten, auf dem höchsten Punkt der Stadt, lag St. Stephan, im Zentrum unten sah er den Martinsdom, daneben den kleineren „Alden Dom“. Er erspähte St. Quintin, in deren Nähe sich das jüdische Viertel befand.
Es begann zu dämmern und er musste sich beeilen, wenn er noch hineingelangen wollte, bevor die Tore geschlossen wurden. Er gab seinem Pferd die Sporen und erreichte das Gautor gerade noch rechtzeitig.
„Wer bist du und was willst du hier?“, fragte ihn
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