Das Blut von Magenza
die Wache.
„Mein Name ist Jonah bar Mose und ich komme, um Geschäfte zu machen. Du kennst Immanuel bar Simson?“
„Dem Namen nach.“
„Er ist mein Freund und kann sich für mich verbürgen.“
„Du siehst aber nicht aus wie ein Jude“, bemerkte derSoldat treffend.
„Ich weiß“, erwiderte Jonah. „Ich hatte triftige Gründe, mein Aussehen zu verändern. Kann ich passieren?“
„Du kennst dein Ziel?“
„Ja, ich habe hier einmal gelebt.“
„Gut. Dann bist du mit den Gesetzen der Stadt vertraut und weißt, wie du dich zu verhalten hast!“, gab der Soldat ihm mit auf den Weg.
Jonah lenkte sein Pferd schnurstracks zu Immanuels Haus. Eigentlich hätte er zuerst beim Kalonymos, dem Gemeindevorsteher, vorstellig werden müssen. Aber er war müde und verdreckt und wollte ihm so nicht gegenübertreten. Gleich morgen früh würde er den Besuch nachholen, jetzt wollte er unbedingt zu Immanuel und Sara.
Das Haus der beiden, das Immanuel von seinen verstorbenen Eltern übernommen hatte, wirkte verlassen. Nirgends brannte Licht und es stieg auch kein Rauch auf. Jonah befürchtete schon, umsonst hierhergekommen zu sein. Sollte er die falsche Adresse haben? Er beschloss, dennoch sein Glück zu versuchen, und klopfte an. Alles blieb still. Er klopfte erneut, wieder erfolgte keine Reaktion. Enttäuscht wandte er sich ab und wollte gehen, als sich die Tür des Nachbarhauses öffnete und ein Knabe herauslugte.
„Willst du zu Immanuel?“, fragte er mit brüchiger Stimme.
„Ja, ich bin sein Freund Jonah und komme aus Rouen.“
„Er ist mein Schwager. Ich bin Isaac, der Bruder seiner Frau“, sagte er und hieß ihn herüberkommen.
Neben Isaac erschien Sara, die einen Freudenruf ausstieß, als sie Jonah erkannte. „Welche Überraschung, dass du hier bist. Warum hast du nicht geschrieben und deine Ankunft angekündigt?“, begrüßte sie ihn.
„Die Entscheidung kam etwas überstürzt“, rechtfertigtesich Jonah.
„Du siehst ganz verändert aus ohne Bart.“
„Das hat seinen Grund, den ich dir bei Gelegenheit erklären werde“, beschwichtigte er sie.
„Jetzt komm erst einmal herein. Immanuel ist leider nicht da, er ist in Italien. Du bleibst doch zur Abendmahlzeit? Isaac bringt dein Pferd in einen Stall. Dein Hund kann im Hof hinterm Haus unterkommen. Dort ist ein kleiner Verschlag, der im Augenblick leer steht.“
„Ich nehme dein Angebot gern an.“
Jonah packte sein Bündel, rief den Hund und übergab Isaac die Zügel. Sara zeigte ihm den Weg in den Hof, wo er sich säubern konnte. Im Vorbeigehen erhaschte Jonah einen kurzen Blick auf den gedeckten Tisch und freute sich auf ein jüdisches Mahl, das er während der letzten Wochen entbehrt hatte. Der warme Schein der Kerzen wirkte anheimelnd und der appetitanregende Duft des frisch gekochten Essens machte ihm bewusst, wie hungrig er war. Draußen reichte Sara ihm einen Eimer, damit er Wasser am Brunnen schöpfen konnte, dann ging sie nach drinnen, um ein weiteres Gedeck aufzulegen.
Jonah brachte zunächst den Hund unter, danach entkleidete er seinen Oberkörper und begann sich zu waschen. Das Wasser war eiskalt, aber es tat gut, den Staub loszuwerden. Nachdem er fertig war, füllte er eine Schüssel mit Wasser, die er im Verschlag gefunden hatte, und brachte sie dem Hund. Inzwischen war es stockfinster und er konnte kaum etwas sehen. Er streichelte dem Tier noch einmal über den Kopf, ging rückwärts wieder hinaus und verschloss die Tür. Noch bevor er sich umdrehen konnte, umklammerten ihn zwei kräftige Arme und hielten ihn so fest, dass ihm die Luft wegblieb.
„Was treibst du zu dieser Stunde am Haus von Sara?“, hörte er eine Stimme zischen.
Jonah begann vor Schreck zu stottern. „Iiiich bbbin iiiihr Gaaaast.“
Der Hund spürte, dass seinem Herrn Gefahr drohte, und begann laut zu kläffen.
„Das kann jeder behaupten.“
„Immanuel ist mein Freund.“
Nach der Erwähnung des Namens, lockerte sich der Griff etwas. Plötzlich stand Sara im Rahmen. Der Lichtschein aus dem Hausinnern fiel genau auf Jonah und Widukind. Völlig überrascht starrte sie auf die beiden. „Widukind, was tust du da? Das ist Jonah, ein Freund der Familie, lass ihn bitte los.“
Sofort gab er Jonah frei. Dieser drehte sich um und wollte sich beschweren, doch als er Widukinds riesige Gestalt erblickte, ließ er es lieber bleiben. Der Mann überragte ihn um Haupteslänge.
Widukind schaute ertappt zu ihm herunter und meinte dann: „Bitte entschuldige. Ich
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