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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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Unterstand. Widukind hatte ihm den Rückenzugewandt und formte gerade eine Figur aus Ton. Er war so in sein Werk vertieft, dass er mit seiner Arbeit zu einer Einheit verschmolz. Über seiner Kleidung trug er eine Schürze, an der er sich ab und zu die Hände abwischte. Gerade ergriff er wieder einen Klumpen Ton, befeuchtete ihn, fügte ihn an die Figur und modellierte ihn, sodass er zu einem Teil von ihr wurde. Zwischen Mann und Werk herrschte vollkommene Harmonie.
    Bolko hätte ihm noch lange zuschauen können, kam sich aber seltsam vor, seinen Sohn heimlich zu beobachten. Er trat zu ihm und musste ihn zweimal ansprechen, bevor Widukind ihn bemerkte.
    „Vater, du bist tatsächlich gekommen“, sagte er mit einer Mischung aus Erstaunen und aufrichtiger Freude.
    „Wie du siehst. Ich habe vorhin Hanno – so heißt übrigens unser Adam – zum Kämmerer gebracht. Er ist einer seiner Bediensteten. Da ich über Nacht in der Stadt bleibe, dachte ich, ich komm einmal her.“
    „Das freut und ehrt mich gleichermaßen.“
    „Diese Madonna wird wunderschön, auch wenn noch nicht allzu viel zu erkennen ist.“
    „Willst du den Entwurf sehen? Bevor ich mit der eigentlichen Arbeit beginne, zeichne ich zuerst alles auf und mache dann ein Tonmodell. Erst wenn mir das gefällt, bearbeite ich den Stein.“
    „Gern.“
    Widukind säuberte sich die Hände und präsentierte dann seinem Vater die Zeichnungen. „Das wird mein Meisterstück.“
    „Wenn es später so aussieht, kannst du das auch mit Fug und Recht behaupten.“
    „Hast du eigentlich eine Unterkunft für die Nacht?“, fragteWidukind, der sich nicht traute, seinen Vater in sein bescheidenes Haus einzuladen.
    „Ich komme beim Kämmerer unter.“
    „Das ist gut.“
    „Ich habe dir vorhin zugesehen. Du hast mich beeindruckt und ich erkenne jetzt, dass ich mich im Unrecht befand. Mir war nicht bewusst, was dein Beruf dir bedeutet und was dein Werk wiederum für die Menschen bedeuten kann.“
    Widukind wusste, wie schwer seinem Vater diese Entschuldigung fiel. „Belassen wir es dabei. Aber vielleicht verstehst du jetzt, dass mir meine Arbeit beinah heilig ist. Wenn ich am Dom baue oder so wie jetzt eine Heiligenfigur gestalte, fühle ich mich Gott ganz nah. Dies ist meine Art, ihn zu preisen und den Menschen seine Allmacht und Güte zu vermitteln. Und während ich am Stein arbeite, ist es beinah so, als spräche der Herr zu mir. Nicht immer, aber es gibt Augenblicke, da fühle ich eine Verbindung zwischen uns. Verstehst du das?“
    „Früher habe ich es nicht verstanden, jetzt aber tue ich es. Und ich wünsche dir, dass Gott noch lange mit dir spricht“, meinte Bolko und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.
    Solche Worte väterlicher Anerkennung und Zuneigung waren äußerst selten und Widukind wusste sie zu schätzen. „Deine Zustimmung bedeutet mir viel. Erst jetzt habe ich wirklich das Gefühl, das Richtige zu tun.“
    Bolko war gerührt, wollte aber vor seinem Sohn nicht noch mehr Gefühle preisgeben. „Und nun muss ich gehen. Gehab dich wohl.“
    Widukind schaute ihm kurz nach, wandte sich dann aber wieder seiner Arbeit zu. Sein Herz war nun leichter.

    Im Haus des Tuchmachers
    Nachdem Bertolf seinen Laden geschlossen hatte, ging er mit seinem Sohn hinauf in die oberen Stockwerke, die sie gemeinsam bewohnten. Dithmar bemerkte eine leichte Gereiztheit bei seinem Vater und führte sie auf das Erscheinen von Griseldis zurück. „Hast du gewusst, dass dieses Weibsbild heute in unseren Laden kommen wird?“, fragte Bertolf misstrauisch.
    „Nein, ich habe sie seit dem St. Stephanstag weder gesehen noch etwas von ihr gehört.“
    „Vielleicht kam sie ja genau aus diesem Grund!“, bemerkte Bertolf bissig.
    „Vater! Vermutest du, sie läuft mir nach?“
    „Stell dich nicht blöder als du bist! Dieses Weib hat es auf dich abgesehen, das sieht selbst ein Blinder. Du bist eine gute Partie und sie gibt offen zu, dass sie einen Mann sucht“, erregte er sich weiter.
    Dithmar senkte seinen Kopf. Auch er empfand Griseldis‘ Auftreten als kühn, aber ganz im Gegensatz zu seinem Vater störte es ihn nicht. Ihr heutiger Besuch und der zaghafte Kuss sagten ihm, dass er ihr nicht gleichgültig war. Aber er war sich über seine eigenen Empfindungen nicht ganz im Klaren. Einerseits begehrte er sie und träumte beinah jede Nacht von ihr. Andererseits fühlte er sich in ihrer Gegenwart manchmal unsicher, denn sie schien immer genau zu wissen, was sie wollte. Er

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