Das Blut von Magenza
mir die Kinderfrau und die Tochter des Grafen.“
Embricho wollte nicht glauben, was er da hörte. Erregt lief er auf und ab und ließ sich schließlich schwer atmend in seinen Sessel sinken. „Dann war deine Reise umsonst! Warum musstest ausgerechnet du Opfer von Dieben werden? Ich danke dem Allmächtigen zwar für deine Rettung, aber ich frage mich bei der Gottesmutter Maria und sämtlichen Heiligen, warum der Herr uns mit deinem Gedächtnisverlust straft!“, klagte er, außer Acht lassend, dass Hanno der eigentliche Leidtragende war. „Du weißt rein gar nichts mehr aus deiner Vergangenheit?“, vergewisserte er sich und versuchte ihm durch das Erzählen gemeinsamer Erlebnisse auf die Sprünge zu helfen.
Doch Hanno konnte sich einfach nicht erinnern. Allerdings hatte er seit drei Nächten einen Traum, der etwas mit seinem früheren Leben zu tun haben konnte und den erEmbricho nun erzählte. „Manchmal träume ich von einem Leben unter freiem Himmel. Da gibt es einen Mann, der mit schöner Stimme redet, und ein junges Mädchen, das tanzt“, entgegnete er zögerlich.
„Ah, dann ist dir wenigstens die Zeit, in der du mit Johannes, dem Märchenerzähler, und seiner Tochter von Dorf zu Dorf zogst, nicht entfallen. Deine Eltern verkauften dich an ihn, als du noch ein Knabe warst. Von Johannes lerntest du deine Redegewandtheit, die Geschicklichkeit deiner Finger sowie die kleinen Kunststücke, mit denen du ganz gern die Damen beeindruckst.“
„Ich war ein Vagabund und Gaukler?“, fragte Hanno verwundert.
„In gewissem Sinne.“
„Und wie kam ich nach Mainz?“
„Johannes verfiel der Trunksucht, seine Tochter brannte mit einem Mann durch und du hattest keine Lust, allein den Lebensunterhalt für zwei zu verdienen. Deshalb hast du ihn verlassen und dich allein hierher durchgeschlagen.“
„Dann war ich ein armseliger Taugenichts?“
Embricho lachte. „Bis ich dich unter meine Fittiche nahm. Seitdem bist du ein respektabler Mann.“
„Tagaus, tagein zermartere ich mir meinen Kopf, wer ich bin. Manchmal tauchen Bildfetzen auf und wirbeln durcheinander, aber sie passen nicht zusammen.“
„Dein Gedächtnisverlust ist wirklich beklagenswert. Nicht nur für dich, vor allem auch, weil du mit einer wichtigen Aufgabe betraut warst. Du wolltest nach Worms und die Herberge finden, in der Bruder Anselm ermordet wurde. Du wirst wahrscheinlich wie üblich nichts aufgeschrieben haben und deshalb nicht wissen, was du erfahren hast?“
„Es gibt nicht den kleinsten Hinweis auf das, was ich während der letzten Tage tat. Notiere ich eigentlich nie etwas?“
„Nein, das ist eine deiner Sicherheitsmaßnahmen. Du hast eigentlich ein phänomenales Gedächtnis und kannst dir Personen, Ereignisse und Orte gut merken. Und solange wichtige Kenntnisse nur in deinem Kopf sind, gelangen sie nicht in die falschen Hände. Nur erweist sich das dieses Mal als fataler Fehler“, meinte der Kämmerer betrübt.
Hanno schaute drein wie ein geprügelter Hund. „Es tut mir leid. Vor allem, weil es scheint, dass der Überfall auf mich nicht ganz zufällig erfolgt ist“.
Der Kämmerer horchte auf. „Wie meinst du das nun wieder?“
Er erzählte ihm, was er in Battenheim erfahren hatte.
Embricho wurde ernst. „Wenn es stimmt, dass jemand dir nach dem Leben trachtete, muss er einen guten Grund dafür haben. Möglich, dass du Anselms Mörder zu nahe kamst.“
„Das könnte zutreffen. Doch solange ich nichts darüber weiß, ist das nur Spekulation“, bedauerte Hanno.
Er war während des Gesprächs müde geworden und sein Kopf begann wieder zu schmerzen, was dem Kämmerer nicht entging. Deshalb verlangte er, dass er sich untersuchen lassen sollte. „Deine Gesundheit hat Vorrang. Um sie müssen wir uns zuerst kümmern. Ich lasse Ibrahim, meinen Arzt, holen, damit er feststellt, wie es dir wirklich geht“, ordnete Embricho an, ohne Widerspruch zu dulden.
Wie so viele Kirchenmänner ignorierte auch der Kämmerer das Gebot, dass ein Christ nicht von einem Juden behandelt werden sollte. Gerade hohe Herren wie er wussten die Fachkenntnisse der jüdischen Ärzte zu schätzen, die die der christlichen oft übertrafen. Ibrahim war ein guter Diagnostiker und die Überlebensrate seiner Patienten warbeachtlich, weshalb er einen guten Ruf genoss.
Ibrahim war durch Widukind vorgewarnt und ahnte, wen er behandelte. „Bist du der gewisse Adam?“, fragte er auf gut Glück.
„Ja, woher weißt du das?“
„Widukind erzählte mir, was
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