Das Blut von Magenza
wie ich sie überhaupt habe eingehen können“, sagte er missmutig und schaute Griseldis an, als sei sie die alleinig Verantwortliche.
Sie senkte die Augen, um ihre Gefühle zu verbergen. Auch wenn sein rüdes Verhalten sie verärgerte, überwog doch ihre Erleichterung, denn endlich war diese unliebsame Affäre vorüber und sie nicht länger in Gefahr. Griseldis bedauerte dieses Ende keine Sekunde, denn sie hatte Ruthard längst satt. Als Liebhaber war er kein Gewinn und sein politisches Gefasel, bei dem er seit Neuestem stets seine eigene Wichtigkeit betonte, ödete sie inzwischen an. Endlich hatte sie die Zeit für Dithmar, die er verdiente, und würde keine ihrer Verabredungen mehr absagen müssen.
Bevor sie sich aber endgültig trennten, interessierte sienoch eine Sache. „Kann ich mich an Euch wenden, wenn ich Hilfe benötige?“
„Keinesfalls! Unsere Wege werden sich höchstens noch während eines Gottesdienstes kreuzen. Ich will nicht, dass der Hauch eines Zweifels auf meine Integrität fällt. Offiziell kennen wir uns nicht und dabei bleibt es. Solltest du tatsächlich einmal Hilfe brauchen, wende dich an Gerhard! Er ist der geeignete Mann dafür.“
„Aber Euer Arm reicht weiter, weil Ihr der Mächtigere seid“, schmeichelte sie ihm.
Doch er blieb hart. „Das mag sein, aber mein Amt, das Wohlergehen der Stadt und mein Ruf sind wichtiger.“
Griseldis hatte sich nie etwas vorgemacht und akzeptierte längst, dass sie nur ein kurzer Zeitvertreib für ihn gewesen war, auch wenn er im Liebesrausch stets anderes geschworen hatte. Aber dennoch verletzte sie seine Ablehnung, die einer Kränkung gleichkam. „Wie könnt Ihr nur so kaltherzig sein!“
„Du hast genau gewusst, auf was du dich einlässt. Für Sentimentalitäten habe ich keine Zeit und du hast kein Recht über mich in irgendeiner Weise zu befinden. Ich lass mir von keinem Weib der Welt vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Friedbert bringt dich jetzt nach Hause. Und nun gehab dich wohl! Möge Gott seine Hand schützend über dich halten“, sagte er noch und ging.
Griseldis schaute ihm ohne große Rührung hinterher. Sie trauerte ihm nicht nach und hatte sich nur mit ihm eingelassen, weil sie es musste. Das war schon öfter von ihr verlangt worden und sie hatte es stets akzeptiert, weil es einer höheren Sache diente, aber heute schämte sie sich das erste Mal dafür. Nicht weil sie Ruthard etwas vorgespielt hatte, das war Teil des Plans gewesen, sondern weil er sierespektlos behandelte.
Noch einmal ging sie in die Schlafkammer, schaute zuerst aufs Bett und dann in den Spiegel. Was sie dort sah, gefiel ihr nicht. Auf einmal ekelte sie sich vor sich selbst. Früher hatte sie leichten Herzens ihre Gewissenbisse, die Scham und die Selbstvorwürfe beiseitegeschoben, die sich immer dann einstellten, wenn sie ihren Körper darbot, denn die Vorteile überwogen bei Weitem die Nachteile. Doch inzwischen war sie es müde, Spielball der Mächtigen zu sein und sich von ihnen benutzen zu lassen.
Je häufiger sie sich den Männern hingab, umso mehr begann sie an ihrem Verständnis als Frau zu zweifeln. Denn es widersprach ihren Gefühlen, die sie viel zu lange verdrängt hatte. Sie hoffte, in der Ehe mit Dithmar endlich die Achtung entgegengebracht zu bekommen, die sie sich wünschte.
Hanno kroch unter dem Bett hervor, nachdem er allein war. Er klopfte sich den Staub aus der Kleidung und den Haaren. Mit einer solch überraschenden Wendung hatte er nicht gerechnet. Dabei war ihm gleich, was mit Griseldis geschah, nicht aber mit Widukinds Familie. Die Äußerungen des Erzbischofs fachten die Sorge um sie an. Er hoffte inständig, dass der Kämmerer sein Versprechen hielt und ihn nach Battenheim gehen ließ. Gleich morgen wollte er darum bitten.
Burg
„So früh habe ich dich gar nicht erwartet“, empfing Gerhard Griseldis.
„Ich dachte auch, das Treffen dauerte länger. Heute Abend gibt es nicht viel zu berichten. Ruthard hat unsereBeziehung beendet.“
„So plötzlich? Warum das?“
„Er meint, dass er sich ab jetzt ganz auf sein Amt konzentrieren muss.“
„Woher rührt dieser Sinneswandel?“
„Er hängt mit den Vorgängen in Speyer zusammen. Du hast davon gehört?“
Gerhard nickte. „Die Berichte über die Kreuzfahrer werden immer beängstigender“, stellte er fest und wollte weiterreden, doch sie unterbrach ihn.
„Gerhard, bitte, ich will das nicht hören. Ruthard hat mir schon genug die Ohren
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