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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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vorzunehmen, aber der Älteste unter ihnen drängte schließlich zum Weitermachen. „Die Arbeit erledigt sich nicht von allein. Je höher die Sonne steigt, umso schlimmer wird der Gestank. Fliegenschwärme lassen sich bereits auf den Leichnamen nieder und tun sich an ihrem Fleisch gütlich. Bald kriecht ihre madige Brut aus den verwesenden Körpern. Streunende Hunde und Katzen lauern nur darauf, in einem unbeobachteten Augenblick ein Stück Fleisch zu ergattern. Über unseren Köpfen kreisen die Krähen. Wenn die Toten schon kein ehrenvolles Begräbnis erhalten können, lasst sie uns wenigstens vor den Aasfressern bewahren“, mahnte er eindrucksvoll.
    Unter den Augen des Juden machten sich die Männer schweigend wieder ans Werk. Als sie die erste Grube zuschaufelten, bemerkte Ariel erst, was vor sich ging. Er verstummte. Die unerwartete Stille ließ die Männer erneut innehalten. Alle Blicke richteten sich wieder auf ihn, doch keiner wagte, ihn anzusprechen.
    Ariel fragte mit gebrochener Stimme: „Sind alle tot?“
    Der Alte übernahm die schwere Aufgabe, ihm zu antworten. „Ja. Und wer dem Schwert der Kreuzfahrer entging, tötete sich selbst.“
    „Dann gibt es keine Hoffnung für mich. Weib und Kinder, Bruder und Schwester, Freunde und Verwandte, alle sind nicht mehr“, schrie Ariel und trommelte mit seiner Faust gegen seine Brust. „Der Herr hat uns verlassen. Doch warum? Welche unserer Sünden bewirkte dieses Unheil?“, rief er verzweifelt.
    Er deutete auf die Gräber. Seine Trauer wich bloßem Zorn. „Was macht ihr mit ihnen?“
    „Bestatten.“
    „Ihr bestattet sie nicht! Ihr verscharrt sie! Nackt, ohneangemessene Kleidung und ohne einen Sarg, stattdessen mit einer Schicht Kalk als Leichentuch! Das ist entehrend und entgegen unserer Tradition“, empörte er sich schluchzend.
    „Was sollen wir angesichts all der Erschlagenen tun?“, erwiderte der Alte so rücksichtsvoll wie möglich. „Wir müssen sie schnell beisetzen. Schau dich doch um. Die Natur nimmt bereits ihren Lauf. Das Blut der Toten und ihr in Verwesung übergehendes Fleisch lockt Geschmeiß aller Art. Hungrige Mäuler gieren nach ihrem Fleisch. Soll ihnen auch noch die letzte Würde genommen werden?“
    Ariels Stimme wurde hart. „Wir haben unsere Würde in dem Augenblick verloren, als wir euren Bischof und die Stadtoberen um Schutz baten. Unser Geld haben unsere vermeintlichen Beschützer genommen, doch ihre Versprechen hielten sie nicht. Wie Schilfrohre sind sie beim ersten Zeichen des Sturms umgeknickt und überließen uns unserem Schicksal.“
    Die Männer senkten beschämt die Köpfe. Was der Jude sagte, stimmte. Keiner der Mächtigen von Worms hatte versucht, das Unglück aufzuhalten. Die Stadt war eine Woche lang belagert worden. Ein Teil der Juden, zu denen auch Ariel gehört hatte, flüchtete sich in den Palast von Bischof Adalbert II., doch bewahrte sie das nicht vor dem Unheil. Er selbst überlebte nur, weil die Kreuzfahrer ihn für tot hielten. Auch diejenigen, die es vorgezogen hatten, in ihren Häusern zu bleiben, waren nicht mehr.
    In Ariel erstarb jegliches Gefühl. Schwankend kam er auf die Beine und wandte seine Augen von den Leichen ab, deren fürchterliche Verstümmelungen sein Herz beinah zum Zerspringen brachten. Er hatte alles, was ihm etwas bedeutete, verloren. Es gab keine Grabsteine, an denen er ihrer gedenken konnte. Er selbst musste ihr Hort derErinnerung sein.
    In der Hoffnung, ein Messer oder eine andere Waffe bei sich zu haben, tastete er sich ab. Doch er fand nichts, mit dem er seinem Leben ein Ende bereiten konnte. Das Jenseits musste noch auf ihn warten.
    Der Alte empfand Mitleid mit dem Juden. „Komm mit mir, ich gebe dir zu essen und zu trinken.“
    Ariel wehrte ab. „Wie kann ich angesichts dieser Barbarei Hunger oder Durst empfinden? Ich bin ein Verlorener und hungere höchstens nach dem Tod.“
    „Du versündigst dich mit diesen Worten.“
    „Wen kümmert es? Und ist das hier keine Sünde?“, fragte er und deutete auf die Leichname. „Ich verfluche diejenigen, die dafür verantwortlich sind. Mögen ihre Gebeine in einer Knochenmühle gemahlen werden und ihre Seele auf ewig in der Finsternis umherirren“, fuhr er fort.
    Als er gehen wollte, warnte ihn einer. „Begib dich nicht ins Judenviertel. Dort sind immer noch einzelne Kreuzfahrer. Wenn sie dich finden, töten sie dich.“
    „Was wäre schlimm daran, jetzt, wo mir alles genommen wurde außer diesem erbärmlichen Leben?“
    „Ich

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