Das Blut von Magenza
Erzbischof hatte heute keinen Blick für ihre Schönheit. Er blieb vor dem Bett stehen, ergriff das Gewand und warf es ihr zu. „Zieh dich an und komm dann ins Nebenzimmer. Ich muss mit dir reden“, sagte er barsch und drehte sichum.
Griseldis erschrak. Irgendetwas musste geschehen sein, wenn er nicht mit ihr das Lager teilen wollte. Während sie sich ankleidete, überlegte sie angestrengt, ob sie der Grund für seine schlechte Stimmung sein könnte. War ihre Affäre bekannt und zum Stadtgespräch geworden? Oder schlimmer noch: Wusste er inzwischen, warum sie tatsächlich nach Mainz gekommen war und sich auf ihn eingelassen hatte? Sollte Letzteres zutreffen, war sie in Lebensgefahr. Griseldis dachte krampfhaft über eine gute Ausrede nach, mit der sie ihn beschwichtigen konnte, aber es fiel ihr einfach keine ein.
Zu ihrer Verteidigung gab es auch nicht viel vorzubringen, das wusste sie selbst nur zu gut. Ihr blieb die Möglichkeit, ihm die ganze Wahrheit zu beichten und dabei an seine Menschlichkeit zu appellieren, am besten unter tränenreichen Worten. Aber sie glaubte nicht, dass er sich erweichen ließ. Nachdem sie das Anziehen so lange wie möglich hinausgezögert hatte, setzte sie eine unbeteiligte Miene auf, die sie noch rasch im Spiegel kontrollierte, und ging dann zu ihm. Die Tür zum Schlafzimmer ließ sie bewusst offen, er sollte freien Blick auf das Bett haben, in dem sie so viele Stunden beim Liebesspiel verbracht hatten.
Hanno überraschte die unerwartete Wendung mindestens ebenso sehr wie Griseldis. Neugierig spitzte er die Ohren und konnte fast alles verstehen, was im Nebenzimmer gesprochen wurde. Wenn er seinen Kopf fest auf den Boden presste, erhaschte er sogar einen Blick auf ihre unteren Körperhälften. Aber diese Haltung wurde ihm auf Dauer zu anstrengend und er konzentrierte sich allein aufs Zuhören.
„Was hat Euch so verstimmt?“, fragte Griseldis und legte ihre Hand auf seinen Arm, die er sofort abschüttelte.
Griseldis wich einen Schritt zurück und wurde kalkweiß.
„Schwere Zeiten kommen auf uns zu. Die Bedrohung ist greifbar nahe, das Unheil nimmt seinen Lauf“, sagte er ernst und schaute sie eindringlich an.
Griseldis schluckte schwer. Ihre Hände, die sie hinter dem Rücken versteckt hatte, begannen zu zittern. War dies der Moment, in dem er sie enttarnte? „Wovon redet Ihr?“, wagte sie dennoch mit bebender Stimme zu fragen.
Ruthard drehte sich nun ganz zu ihr um. „Heute Morgen kam ein Bote aus Speyer. Bischof Johann hat ihn gesandt, er brachte schlechte Nachrichten.“
Griseldis war die Erleichterung deutlich anzusehen. Sie atmete befreit auf. Ihre Angst erwies sich als unbegründet, sie war nicht der Grund für seine gereizte Stimmung. „Wollt Ihr es mir nicht sagen?“
„Dann hast du es also noch nicht gehört?“
„Nein, woher denn?“
„Speyer wurde von Kreuzfahrern überfallen und einige Juden getötet, weil sie die Taufe verweigerten. Außerdem kam es zu großen Verwüstungen.“
„Aber warum erschlagen sie die Juden? Das verstehe ich nicht.“
„Ich auch nicht. Als Papst Urban den Kreuzzug ausrief, hat er das bestimmt nicht gewollt und erst recht nicht vorausgesehen. Was hier geschieht, hat nichts mit der Befreiung der Heiligen Stätten zu tun“, empörte er sich weiter. „Unter den Toten von Speyer sind auch Verwandte der hiesigen Gemeinde.“
„Demnach trauern auch die Juden Magenzas?“
„Natürlich. Es bestehen neben spirituell-geistigen auch wirtschaftliche und vor allem enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Gemeinden Magenzas, Warmaisasund Schpiras. Bischof Johann bewies Stärke und bekam den Pöbel früh unter Kontrolle. Er bestrafte die Mörder hart, was zum raschen Abzug des Heeres führte. Nun ist es unterwegs nach Worms und von dort ist Mainz nicht mehr weit.“
Ruthard, der die ganze Zeit umhergelaufen war, setzte sich nun. Er wirkte gleichermaßen erregt und erschöpft.
„Und was werdet Ihr tun, sollten sie tatsächlich hierherkommen?“
„Ich treffe bereits seit Längerem Vorkehrungen, von denen nur Eingeweihte wissen. Wir sind gut vorbereitet. Aber ab jetzt gilt meine ganze Kraft meinem Amt, deshalb werden wir uns nicht mehr sehen“, sagte er in einem Ton, der kein Bedauern erkennen ließ und keine Widerrede duldete.
„Meint Ihr, bis die Sache ausgestanden ist oder für immer?“, fragte sie.
„Für immer und das ist unumstößlich. Unsere Beziehung war von vorneherein ein Fehler. Ich kann nicht verstehen,
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