Das Blut von Magenza
einzig wahren Gott!“
Als sich nichts rührte, wiederholte er seine Worte, nur eindringlicher. Immer noch geschah nichts. Erbost über diese vermeintliche Respektlosigkeit meinte er zum Gefolge: „Wenn sie nicht herauskommen, gehen wir hinein! Es ist gleich, wo sie getauft werden!“, rief er und führte die Menge an.
Sofort erhob sich ohrenbetäubendes Gejohle. Mit gezückten Waffen stürmten sie in das heilige Gebäude, nur um festzustellen, dass es leer war. Ihr Jubel erstarb auf ihren Lippen und maßlose Wut erfasste sie.
„Hier ist nicht ein einziger Jude!“, schrieen sie wild durcheinander. „Man hat unsere Absicht verraten! Wir verlangen Gerechtigkeit für das, was sie unserem Herrn angetan haben. Sicher finden wir sie in ihren Häusern, lasst unsdorthin gehen und sie erstürmen.“
Etliche Bürger waren von dem Getrommel geweckt worden und verließen die Kernstadt, um die Quelle des Lärms zu erkunden. Als sie sahen, was vor sich ging, schlossen sich einige den Kreuzfahrern an, da sie deren Meinung teilten, und zeigten ihnen den Weg zu den Häusern der Juden. Viele Speyerer aber erschreckte dieser entfesselte Zorn und sie suchten vor der Meute Schutz. Bischof Johann hatte seine Wachleute noch während der Nacht in Bereitschaft versetzt. Als der Tumult losbrach, schickte er sie ins Judenviertel, damit sie die Mitglieder der Gemeinde in seine Burg brachten. Als sich die Kreuzfahrer erneut um ihren Lohn betrogen sahen, schlug ihre Wut in blindwütige Raserei um. Sie drangen in die Gebäude ein, plünderten und zerstörten sie. Schließlich stöberten sie elf Mitglieder der Gemeinde Schpiras auf, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit hatten bringen können. Sie wurden vor den Mob gezerrt und gedemütigt. Dann schrieen die Pilger: „Ihr habt die Wahl. Taufe oder Tod!“
Alle wählten den Tod und wurden an Ort und Stelle ermordet. Eine von ihnen war Minna, eine besonders fromme Frau, die selbst die Christen schätzten. Einige Bürger flehten sie an, sich taufen zu lassen, doch Minna blieb unbeirrbar. „Was nutzt mir mein Leben, wenn ich dem falschen Herrn diene! Ich werde seinen Namen nicht entehren. Seht, was ich tue, um ihn zu heiligen!“, rief sie unerschrocken, entriss einem der Kreuzfahrer das Schwert und tötete sich damit selbst.
Noch im Sterben pries sie ihren Schöpfer. Als die Bürger die Juden in ihrem Blut liegen sahen, kamen sie endlich zur Besinnung. Betroffen schlichen sie in ihre Häuser. Auch Bischof Johann erfuhr von den Gräueltaten. Er zögertekeinen Augenblick und schickte seine Wachleute los, damit sie die Mörder und Verräter aufstöberten. Nachdem einige von ihnen gefasst waren, saß er sofort über sie zu Gericht. Als ihre Verbrechen außer Frage standen, ließ er keine Gnade walten, sondern ihnen die Hände abschlagen. Sein entschlossenes Auftreten und sein hartes Vorgehen trieben die letzten Pilger aus der Stadt. Unter wüsten Beschimpfungen zogen sie sich in ihr Lager zurück, um am nächsten Tag weiterzuziehen.
Mittwoch, 7. Mai 1096, 12. Iyyar 4856
Mainz
Hanno beobachtete Griseldis‘ Haus seit seiner Rückkehr in jeder freien Minute. In den vergangenen Tagen hatte er vergebens darauf gewartet, dass der Erzbischof nach ihr schickte. Er fürchtete schon, ihre Beziehung könnte während seiner Abwesenheit ein Ende gefunden haben, als er Friedbert um die Ecke biegen sah. Hanno verbarg sich, damit der Diener ihn nicht bemerkte.
Kaum war dieser im Haus verschwunden, rannte er so schnell er konnte hinauf zum Liebesnest. Er drang in das Haus ein, ging in das Schlafgemach und zwängte sich dort unter das Bett. Viel konnte er zwar nicht sehen, aber das war auch nicht wichtig. Er wollte nur alles hören, was die beiden taten oder miteinander besprachen.
Zwischen Boden und Bett war kaum Platz und er hoffte, dass es sich nicht zu sehr absenkte, sollten Ruthard und Griseldis es benutzen. Dicke Staubflocken bedeckten den Boden und kitzelten in seiner Nase. Er fegte sie mit der Hand weg, damit ihn keine zum Niesen brachte. Dann hörte er auch schon eine Tür schlagen und wenig später sah er ein paar Füße vor dem Fußende. Griseldis war gekommen und begann sich auszuziehen. Das Nonnengewand fiel zu Boden und gab ein paar schlanke Fesseln frei. Kaum war sie nackt, schlüpfte sie zwischen die steifen Laken. Das Bett gab zu Hannos Erleichterung kaum nach.
Als sie Ruthard kommen hörte, räkelte sie sich, damit ihre Rundungen sich unter dem Leinen abzeichneten. Doch der
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