Das Blut von Magenza
vollgejammert.“
„Gut, wie du meinst“, entgegnete er leicht beleidigt. „Dann gib mir eine letzte Einschätzung. Was hältst du von ihm?“
„Das ist schwer zu sagen. Er nimmt sein Amt ernst und handelt entsprechend. Aber er genießt auch seine Macht und würde alles tun, um sie zu erhalten.“
„Leg dich doch endlich fest. Ist Verlass auf ihn oder nicht?“, hakte er nach.
„Da bin ich mir nicht sicher…“ Weiter kam sie nicht, sondern legte ihren Finger auf den Mund. Mit dieser Geste bedeutete sie Gerhard zu schweigen. Der Stadtgraf schaute sie fragend an.
„Pst, ich glaube, ich habe Schritte gehört“, zischte sie und sprang auf.
„Das bildest du dir ein“, erwiderte er, senkte aber dennoch die Stimme.
„Nein, da steht jemand vor deiner Tür. Das spüre ich“, wisperte sie zurück.
Auf ihren Instinkt vertrauend, wartete sie nicht länger, schob rasch den Teppich zur Seite und verschwand durch den Gang. Reinhedis hatte lange mit sich gerungen, obsie die Treue ihres Mannes prüfen sollte oder nicht. Aber die Ungewissheit nagte an ihr und machte ihre Eifersucht unerträglich. Wenn sie sich nicht endlich Gewissheit verschaffte, würde sie verrückt werden. Nacht für Nacht war sie immer wieder an sein Zimmer geschlichen und hatte gelauscht, konnte aber nie etwas hören. Sie hatte vage gehofft, dass sie sich das Verhältnis zwischen Griseldis und Gerhard doch nur eingeredet hatte, denn während der letzten vier Wochen hatte sie die beiden nicht einmal miteinander ertappt. Aber heute Abend zerschlug sich ihre Hoffnung. Griseldis befand sich in seinem Schreibgemach, hinter dieser Tür, bei ihrem Gemahl. Nur mit Mühe konnte sie sich auf den Beinen halten und musste sich kurz an die Wand lehnen, um nicht zu straucheln.
Jetzt war ihre Geduld endgültig erschöpft. Der letzte Strohhalm, an den sie sich geklammert hatte, erwies sich als Trugschluss. Bisher hatte sie nicht den Mut aufgebracht, ihre Mordgedanken auch in die Tat umzusetzen. Doch jetzt sah sie keinen anderen Ausweg. Gerhard gehörte zu ihr, sie wollte ihn mit keiner anderen teilen.
Haus des Tuchmachers
„Vater, ich verstehe nicht, warum du Griseldis noch immer ablehnst. Ihr Lebenswandel ist doch einwandfrei“, beklagte sich Dithmar, während er den Laden abschloss.
„Ich habe mehr Erfahrung als du. Dass wir nichts Schlechtes über sie gehört haben, bedeutet nicht, dass meine Vorbehalte nicht gerechtfertigt wären, zumal gemunkelt wird, sie hätte ein Verhältnis. An diesem Weib erscheint mir alles falsch. Inzwischen denke ich, dass es ihren ominösen Bruder gar nicht gibt. Warum sonst kommt er nicht?Sie lebt jetzt seit mehr als einem halben Jahr hier und ist immer noch allein. Die anderen Bürger der Stadt mögen sich von ihr blenden lassen, aber mir macht sie nichts vor. Und solange ich nicht eines Besseren belehrt werde, habe ich weiterhin Zweifel und verweigere dir meinen Segen!“
„Ich glaube das Gerede nicht, war dir doch immer ein guter Sohn und habe getan, was du von mir verlangtest. Warum traust du mir nicht zu, selbst die richtige Wahl zu treffen?“
„Dithmar, ich möchte nur das Beste für dich und mich keinesfalls deinem Glück in den Weg stellen. Versteh das doch“, beharrte Bertolf. „Ich will aber verhindern, dass du unglücklich wirst. Gedulde dich noch, bis unser Verwandter Franz auf meine Bitte, mir Informationen über Griseldis zu beschaffen, antwortet. Das kann ich von dir als dein Vater verlangen.“
Dithmar gab es auf, ihn zu überzeugen und strafte ihn stattdessen mit Schweigen. Er wollte einfach nicht länger auf seine Verlobung warten. Auch Griseldis drängte ihn, sie zu ehelichen. Zwar tat sie das nicht offen, aber er spürte es jedes Mal, wenn sie zusammen waren. Sie sprach nämlich davon, Mainz spätestens nach Pfingsten zu verlassen, sollte sie bis dahin nicht verlobt sein.
Dithmar verwünschte nicht zum ersten Mal seine Abhängigkeit von seinem Vater. Handelte er jedoch gegen seinen Willen, könnte er ernst machen und sein Geschäft später an einen anderen verkaufen. Dann verlor er seine Existenz und musste sich erst eine neue aufbauen, was besonders in Mainz schwer werden durfte und vor allem Jahre dauerte. Aber er war auch ein erwachsener Mann, der endlich eine eigene Familie gründen wollte, und Griseldis erschien ihm als die Richtige, auch wenn sie manchmal ihrem eigenenKopf folgte. Eine andere wollte er nicht.
Kaum setzte er sich zu seinem Vater an den Tisch, als ein Bote einen Brief
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