Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
Vom Netzwerk:
gekommen.“
    Der Diener trat ins Freie und schaute hinüber zur Stadt, die im fahlen Dämmerlicht des Morgens noch trutziger wirkte als bei Tage. Was immer sein Herr vorhatte, die Einnahme von Mainz konnte es bestimmt nicht sein.

    In der Stadt
    Der Turmwächter kämpfte gegen die Müdigkeit. Diese Stunde zwischen Nacht und Tag war immer die schwerste. Manchmal siegte der Schlaf, doch angesichts der Bedrohung zwang er sich zum Wachbleiben. „Bald kommt die Ablösung“, tröstete er sich, während ihm für einen kurzen Moment die Lider zufielen.
    In seinem Halbschlaf meinte er, seltsame Geräusche am Fuß des Turms zu hören. Doch er musste sich täuschen, denn noch war es nicht Zeit für den Wachwechsel. Er rieb sich die müden Augen, streckte sich und schaute auf das Heerlager. Die Feuer waren erloschen, die Gespräche und Gesänge schon lange verstummt. Alles wirkte ruhig. Wieder störte ihn ein leiser Laut. Er versuchte die Quelle zu orten und drehte den Kopf. In diesem Moment sah er einen Schemen auf sich zuschießen und duckte sich gerade noch rechtzeitig weg. Eine Eule mit einer Ratte in ihren Krallen flog haarscharf an ihm vorbei. „Dummes Vieh“, rief er ihr nach.
    Der Vogel hatte ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt und sein Herz klopfte so laut, dass er die beiden schwarz gekleideten Gestalten nicht hörte, die sich von hinten mit erhobenem Knüppel anschlichen. Der Schlag auf seinen Kopf kam völlig überraschend und er fiel bewusstlos zu Boden. Die Männer knebelten und fesselten ihn und ließen ihn dann einfach liegen. So leise wie sie gekommen waren stahlen sie sich auch wieder davon.
    Unten zischten sie ihren Kumpanen zu: „Er kann keine Warnung mehr geben. Habt ihr die anderen ebenfalls außer Gefecht gesetzt?“
    „Ja, einen nach dem anderen. Uns kann niemand mehr aufhalten.“
    „Gleich geht die Sonne auf, dann öffnen wir das Tor und bereiten dem Spuk endlich ein Ende.“
    „Lasst uns hoffen, dass du recht behältst und wir bald wieder unsere Ruhe haben.“
    „Du wirst sehen: Morgen, spätestens übermorgen, herrschen wieder normale Zustände. Wir müssen nur darauf achten, dass uns niemand erkennt. Am Strick will ich nämlich nicht enden.“
    Vor den Toren
    Als die Sonne sich über den Horizont schob und ihre Strahlen die Stadtmauer und Wehrtürme in blutrotes Licht tauchten, sah Mainz aus, als stünde es in Flammen. Die Illusion währte nur wenige Augenblicke und nicht jeder deutete diese Erscheinung wie Emich. Aber für ihn war sie das himmlische Zeichen, auf das er gewartet hatte. Er schwang sich auf sein Pferd und ergriff die Kreuzfahrerfahne. Sein Knappe stand ihm wie immer zur Seite, die Standarte der Leininger schwenkend. Er hatte auch einen Trommler herbeigerufen und ritt nun im Rhythmus seiner Schläge auf die Stadt zu. Die Kreuzfahrer wurden dadurch geweckt und rieben sich verwundert die Augen, als sie ihren Anführer wie von fremder Hand gesteuert mit starrem Blick an sich vorüberziehen sahen. Neugierig folgten sie ihm in einigem Abstand, denn ganz geheuer war ihnen der Leininger heute Morgen nicht. In einiger Entfernung blieb er stehen, den Blick geradewegs auf Mainz gerichtet, so als könne er durch bloße Gedankenkraft die Mauer zum Einsturz oder das Tor zum Bersten bringen.
    Wilhelm von Melun und die anderen Herren, die fest davon ausgegangen waren, dass sie heute nach Ostenaufbrechen würden, hielten ihn jetzt für vollkommen verwirrt, aber er wirkte so Ehrfurcht gebietend, dass keiner wagte, ihn anzusprechen. Als die Sonne vollends aufgegangen war, bekreuzigte sich Emich, legte den Kopf in den Nacken, reckte die Fahne noch höher und schaute in den Himmel. „Herr, ich tue, was du verlangst. Lass es geschehen!“
    Das letzte Wort war noch nicht über seine Lippen gekommen, als sich wie von Geisterhand das Stadttor öffnete. Alle erstarrten und wollten ihren Augen nicht trauen. Ihre Blicke wanderten zwischen Emich, der starr wie eine Statue auf seinem Pferd saß, und dem offenen Tor hin und her. Totenstille senkte sich über das Feld, die Trommel verstummte, das Gewisper erstarb. Keiner konnte glauben, was gerade geschah. Erschrocken wichen die Krieger zurück und umklammerten ihre Waffen, denn sie fürchteten einen Ausfall. Als aber alles ruhig blieb, wagten sie sich vor.
    Emichs Starre löste sich, er senkte ergeben den Kopf und rief laut: „Dank dir, Herr!“ Dann wandte er sich an das Gefolge: „Erkennt, dass gerade ein Wunder geschehen ist! Gott steht auf

Weitere Kostenlose Bücher