Das Blut von Magenza
später stöhnte Sara vor Schmerzen, die Wehen hatten sich verstärkt und kamen nun in kürzer werdenden Abständen.
Dieses Mal erschien die Äbtissin mit einer Nonne. „Das ist Schwester Magdalena. Sie hat bereits mehrere Kinder auf die Welt gebracht. In Ermangelung einer jüdischen Geburtshelferin wirst du wohl mit ihr Vorlieb nehmen müssen.“
„Kommt nicht in Frage“, wehrte Rachel ab. „Das übernehme ich.“
„Hast du denn Erfahrung darin?“, wollte Magdalena von ihr wissen.
„Ich habe selbst zwei Kinder geboren.“
Magdalena meinte nur: „Es macht einen gehörigen Unterschied, ob du die Gebärende oder die Helferin bist. Wenn ich verspreche, deine Tochter nicht zu berühren, lasst ihr euch dann helfen?“, fragte sie.
„Geht das denn?“, presste Sara hervor.
„Ja, wenn deine Mutter mir dabei zur Hand geht. Lass mich einen Blick auf deinen Schoß werfen, damit ich sehe, wie weit die Geburt fortgeschritten ist.“
„Mutter, bitte, du willst doch auch, dass alles gut geht!“
Rachel widerstrebte zwar, dass sie sich einer Christin unterordnen sollte, aber ihrer Tochter zuliebe fügte sie sich.
„Leuchte mir, damit ich genug sehen kann“, bat die Nonne. „Dies ist dein erstes Kind?“
Sara nickte.
„Es kann noch Stunden dauern. Im Augenblick ist aber alles normal. Ich komme später wieder.“
Jobst, Sixt und Endris hatten sich am späten Abend in einer Schenke getroffen, in der auch die Fährleute verkehrten. Solange es noch Bier gab, wollten sie sich einen Krug genehmigen.
„Mir gefällt dieser Belagerungszustand nicht“, beschwerte sich Sixt. „Seit Tagen können wir nichts mehr ausliefern. Wenn das so weitergeht, verlieren wir viel Geld. Es wird Zeit, dass sich endlich etwas ändert.“
Jobst entgegnete ungerührt: „Es sind erst wenige Tage, in denen wir die Stadt nicht mehr verlassen können. Dank der hohen Summe, die die Juden bezahlt haben, ziehen dieKreuzfahrer bestimmt bald weiter.“
Doch Sixt blieb stur. „Und woher haben die Juden das ganze Gold?“, mäkelte er weiter. „Doch von uns!“
„Ich musste mir mein Lebtag noch kein Geld von ihnen leihen, im Gegensatz zu dir! Du kannst eben nicht richtig haushalten“, widersprach ihm Jobst, der wusste, dass Sixt augenblicklich Geldsorgen plagten.
Sixt schlug empört mit der Faust auf den Tisch. „Was geht es dich an, wie ich wirtschafte. Kümmere dich um deinen Kram und lass mich in Ruhe.“
„Kein Mensch wird reich, indem er Geld ausgibt!“, ließ Jobst sich nicht beirren.
Endris mischte sich ein. Ihm gefiel nicht, dass Jobst Partei für die Juden ergriff. „Sag mal, bist du jetzt auf einmal ein Judenfreund?“
„Nicht mehr und nicht weniger als sonst. Aber ich bin immer gut mit ihnen ausgekommen. Und ihr braucht euch auch nicht zu beschweren. So manche Transporte haben wir für sie gemacht und sie haben immer die ausgehandelte Summe gezahlt und das stets pünktlich. Das kannst du nicht von jedem Händler sagen. Die schachern oft, was das Zeug hält, und finden meist einen Grund, sich über etwas zu beschweren“, gab Jobst zu bedenken.
Endris ereiferte sich weiter und erhielt dabei Unterstützung von den Fährleuten am Nachbartisch, die zustimmend nickten. „Die Juden genießen in meinen Augen mehr Vorteile als unsereins. Das gehört endlich einmal geradegerückt.“
„Aus dir spricht der pure Neid“, meinte Jobst sachlich und erntete dafür manch bösen Zwischenruf, den er aber ignorierte.
Endris‘ Augen verschmälerten sich zu Schlitzen. „Seit derMesserstecherei bei Mathes erkenn’ ich dich nicht wieder. Du bist ruhig geworden und du denkst für meinen Geschmack zu viel nach.“
„Ist es etwa ein Nachteil, wenn man seinen Kopf gebraucht? Du hast gehört, was der Schulze mir androhte. Ich hab schon genug auf dem Kerbholz, eine weitere Verfehlung und es ist schlecht um mich bestellt.“
„Dann gehörst du ab jetzt zu den Geläuterten?“, flachste Endris. „Mal sehen, wie lange du das durchhältst. Menschen verändern sich nicht, irgendwann bist du wieder der Alte“, meinte Endris, der sich allmählich beruhigte.
Sixt kam wieder auf die Belagerung zu sprechen. „Egal, was ausgehandelt wurde, ich will nicht länger tatenlos rumsitzen. Wir müssen handeln. Wenn Ruthard es nicht tut, tu ich‘s“, nahm er den Mund recht voll.
„Recht hast du ja, aber was kannst du schon dagegen unternehmen? Das Heer verjagen?“, lachte ein Fährmann rau zu ihnen herüber.
„Nein, aber mir fällt schon
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