Das Blut von Magenza
beschäftigt sind“, sagte der Soldat mit zittriger Stimme.
Ruthard war wie versteinert und reagierte nicht, das tat an seiner Stelle der Kämmerer. „Gibt es eine Möglichkeit, uns zu retten?“, fragte er Burckhart.
„Am Rheinufer liegen Boote, in die wir uns flüchten und nach Rüdesheim übersetzen könnten. Dort wären wir in Sicherheit.“
Schließlich kam Ruthard zur Besinnung. „Möge der Herr ihnen gnädig sein und mir vergeben“, bekannte er viel zu spät und bekreuzigte sich. „Ist dir Conrad unterwegs begegnet?“, fragte er noch.
„Ja, ich sah ihn in den Palast hineingehen.“
„Er ist der Einzige von uns, der Mut zeigt! Ich will nicht fliehen, sondern mein Schicksal hier erwarten!“, wehrte sich der Erzbischof.
Der Kämmerer setzte alles daran, ihn umzustimmen. „Du würdest dein Leben sinnlos opfern! Bedenke deine Stellung! Was wäre das für ein schmachvoller Tod, vom Pöbel erschlagen zu werden! Gott will das bestimmt nicht!“
„Woher weißt du, was er will und was nicht!“, schrie Ruthard verzweifelt.
„Lebend kannst du mehr ausrichten und später die Mörder zur Rechenschaft ziehen!“, beschwichtigte ihn Embricho.
„Denkst du das wirklich?“
Der Kämmerer nickte und die Herren des Domkapitels pflichteten ihm bei.
Doch so schnell ließ er sich nicht überzeugen. „Burckhart,was denkst du?“
Der Hauptmann antwortete mit fester Stimme: „Die Schlacht ist geschlagen und wir haben verloren. Jedes weitere Menschenleben zu opfern, wäre unnötiges Blutvergießen.“
„Wenn du das wirklich meinst, dann tue ich, was ihr für richtig haltet“, sagte der Erzbischof zu den anderen. „Lasst uns unverzüglich aufbrechen.“
„Einen Augenblick noch!“, rief der Kämmerer. „Willst du etwa das Geld der Juden, das sich in der Schatzkammer befindet, einfach so zurücklassen? Allem Anschein nach werden sie es nicht mehr benötigen, wir dafür umso mehr“, sagte er leise zu seinem Verwandten.
Angewidert schaute Ruthard seinen Berater an. „Ist das alles, woran du in dieser Stunde des Grauens denkst?“
„Ich plane für die Zukunft! Es gilt Schäden am Palast, dem Dom, an Kirchen und Klöstern zu beseitigen. Wer wird dafür aufkommen? Wenn die Juden tot sind, gibt es keinen, der es zurückfordert. Jetzt haben wir es in Reichweite und es sind Soldaten da, um es wegschaffen zu können.“
Ruthard überlegte nicht lange und gab dem Drängen seines Verwandten nach. „Gut, lass sie das Geld holen. Aber dann brechen wir auf.“
Palast des Erzbischofs
Conrad war unter großen Schwierigkeiten bis an den Bischofssitz gelangt. Hilflos musste er Gräueltaten mit ansehen, die er sein Lebtag nie wieder vergessen würde. Tränen des Zorns und der Machtlosigkeit brannten in seinen Augen und er zweifelte das erste Mal in seinem Leben an dessen Sinnhaftigkeit.
Das Morden hatte sich vom Freien in das Hausinnere verlagert und Conrad gelangte weitgehend unbehelligt in den Innenhof. Dabei musste er durch Pfützen aus Blut waten. Das Blut drang in seine Sandalen ein und benetzte seine Haut. Magenza-Rot, schoss es ihm bei diesem furchtbaren Anblick durch den Kopf.
An den Fenstern des Palastes spielten sich dramatische Szenen ab. Er sah, wie die Leichen geplündert und nackt in den Hof geworfen wurden, wo sie hart auf den Boden aufschlugen. Die Juden Magenzas waren verloren, für sie gab es keine Rettung mehr, aber vielleicht für Isaac. Er musste nur rechtzeitig zu ihm gelangen, bevor der Mob in das Gebäude einzudringen begann, wo er seine Räume hatte.
So verloren, wie Conrad glaubte, waren die Juden allerdings noch nicht. Als die Erstürmung begann, hatte sich Kalonymos mit ungefähr fünfzig Männern in einem etwas abgelegenen Teil des Bischofspalastes befunden. Auch sie waren kampfbereit und wollten so viele Kreuzfahrer wie möglich mit in den Tod nehmen. Die Taufe zogen sie nicht in Betracht, sie würden den Namen haSchems nicht entehren. Mit gezückten Schwertern warteten sie in einem Saal auf ihre Feinde. Aber so weit kam es nicht.
Zu ihrer Überraschung erschien plötzlich ein Diener Ruthards. „Kommt mit mir, ich kenne ein Versteck, in dem euch niemand finden wird“, forderte er sie auf.
Die Juden blieben misstrauisch, da der Erzbischof sie bislang ihrem Schicksal überlassen hatte. Wieso sollte ausgerechnet jetzt einer seiner Bediensteten ihnen helfen?
„Woher wissen wir, dass wir dir vertrauen können?“, fragte der Parnass.
„Ich will euch eben helfen. Es gibt eine
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