Das Blut von Magenza
anderen Frauen. Ihr werdet euch gemeinsam verstecken, bis alles vorüber ist.“
„Und wenn ich das nicht will?“
„Dann sperre ich dich ein!“, entgegnete er kurzerhand.
Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Als er Griseldis und Margreth zu den anderen brachte, war Yrmengardis anzumerken, dass sie sich darüber wunderte. Aber da sie Hanno vertraute, fragte sie nicht nach dem Grund für Griseldis‘ Anwesenheit. Sie wollte aber wissen, was in der Stadt vor sich ging.
Hanno ergriff ihre zarten, kühlen Hände und hielt sie fest. Sie ließ ihn gewähren. „Ich weiß es nicht, denn viel habe ich nicht gesehen“, erwiderte er, ohne näher darauf einzugehen. „Wir können nur hoffen, dass bald alles vorüber ist.“
„Denkst du, sie kommen hierher?“
„Das ist nicht auszuschließen. Ich lasse aber nicht zu, dass dir etwas geschieht. Und nun muss ich gehen. Bleibt hier im Versteck“, schärfte er ihnen ein. „Habt besonders ein Auge auf Griseldis! Sie geht gern ihre eigenen Wege“, bat er sie und Yrmengardis versprach es ihm.
Inzwischen war ein Soldat des Erzbischofs gekommen, der Hanno sprechen wollte. „Dein Herr schickt mich. Ruthard und die Herren des Domkapitels verlassen Mainz, und zwar mit Booten. Du sollst umgehend zu ihm an den Rhein kommen und das Kreuz mitbringen. Er sagte, es sei äußerst wichtig.“
„Wie ist die Lage?“, erkundigte sich Hanno, um abzuschätzen, ob er das Anwesen überhaupt verlassen konnte.
„Konfus. Teile der Pilger haben sich von ihren Anführern losgesagt und streunen in der Stadt umher. Die Truppen des Bischofs und des Burgherrn sind aufgerieben und die Ordnung fällt auseinander. Die Bürger müssen sich selbst verteidigen. Aber wenigstens verschonen die Kreuzfahrer bislang die Häuser, die Kirchen und Klöster der Christen. Bis hierher sind sie noch nicht vorgedrungen. Also beeile dich, damit wir noch an den Rhein gelangen.“
„Ich hole es, wart’ du solange hier.“
Hanno hastete nach oben in das Schreibzimmer seines Herrn. Eigentlich hätte er sich am liebsten diesem Befehl widersetzt, denn er wollte nicht der Handlanger eines Betrügers sein. Aber noch stand er in seinen Diensten und war ihm zu Gehorsam verpflichtet. Er fürchtete, das Kreuz könnte den Pilgern in die Hände fallen, denn sein Anblick reichte aus, um Begehrlichkeiten zu wecken. Deshalb hielt er es für klüger, es zu verhüllen. Noch einmal bewunderte er den reich verzierten Ebenholzkorpus mit denkieselsteingroßen Rubinen, die die Wundmale Christi symbolisierten. Allein der Wert des Kreuzes reichte als Lösegeld für den gesamten Haushalt des Kämmerers samt seiner Gäste aus. Er nahm es von der Wand, was ihm deutlich leichter fiel als seinem Herrn, und entfernte den kostbaren Inhalt aus sämtlichen Hohlräumen. Die unbeschriebene Pergamentrolle ließ er allerdings an Ort und Stelle. Dann schlug er es in ein Laken ein, und als er es jetzt hochhob, war es deutlich leichter als zuvor.
„Wo bleibst du denn so lange?“, empfing ihn der Soldat ungeduldig.
„Ich habe so schnell gemacht, wie ich konnte!“, entschuldigte er sich.
Widukind, Graf Bolko und Friedrich boten sich an, die beiden zu begleiten. Hanno hätte sie zwar lieber als Wache bei den Frauen gesehen, aber das Kreuz musste sicher zum Kämmerer gelangen und dabei war jeder Mann hilfreich.
„Lasst uns endlich gehen, es wird höchste Zeit“, drängte der Soldat. „Wir nehmen den Weg durch die Kämmererpforte. So gelangen wir am schnellsten an den Rhein. Und von dort ist es nicht mehr weit bis zu der Stelle, wo die Boote warten.“
Im Umfeld des Hauses war es ruhig, sodass sie rasch vorankamen. Als sie die kleine Pforte zum Rhein erblickten, wähnten sie sich schon am Ziel und atmeten erleichtert auf. Doch bevor sie den Durchgang erreichten, traten aus einer kleinen Seitengasse zehn Pilger und empfingen Hanno und seine Begleiter mit gezückten Waffen. Auf ihren Gesichtern zeichnete sich wilde Entschlossenheit ab, die sich beim Anblick des verhüllten Kruzifixes noch verstärkte.
„Überlasst uns das Kreuz und wir lassen euch gehen“, sagteihr Anführer, ohne es überhaupt gesehen zu haben.
Der Soldat, Widukind, Graf Bolko und Friedrich bildeten einen Ring um Hanno, um ihn zu schützen. Dieser schüttelte den Kopf. „Ihr bekommt es nicht, es gehört dem erzbischöflichen Kämmerer. Und ihr wollt euch doch nicht versündigen, indem ihr die Kirche bestehlt.“
„Rück es heraus und wir belassen
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