Das Blut von Magenza
sich der Eingang befindet, ist so eng, dass wir dort nur hintereinander laufen können“, erklärte Widukind seinen Gefährten.
Es war Dithmar, der Griseldis zuerst erspähte und die Gefahr erkannte, in der sie sich befand. „Schaut dort vorn. Sieund Bertram werden bedroht! Sie brauchen unsere Hilfe“, stellte er fest, hielt sich aber hinter Hanno und Widukind, die, ohne lange nachzudenken, vorpreschten.
Griseldis ahnte nicht, dass Rettung nahte. Sie öffnete gerade ihre Truhe und tat so, als wolle sie etwas herausholen. Dabei richtete sie es so ein, dass der Deckel die Sicht auf den Inhalt und ihre Arme verdeckte. Auf einmal ging alles sehr schnell. Sie rief das Kommando, Bertram machte einen Satz zur Seite, etwas Silbernes flog durch die Luft und blieb im Oberarm des Mannes stecken, der das Schwert auf den Diener richtete. Dieser schrie laut auf, ließ vor Schreck die Waffe fallen, die Bertram blitzschnell ergriff und nun seinerseits den Verletzten mit zwei Schwertern bedrohte. Das Weib mit der Mistgabel war von dem plötzlichen Angriff überrumpelt und reagierte zu spät, als Griseldis ihr mit ihrem rechten Fuß fest in den Bauch trat. Sie krümmte sich vor Schmerz, fasste sich an den Leib und ließ die Mistgabel fallen, die Griseldis an sich nahm. Sie stellte sich neben Bertram und richtete sie auf die Männer.
Ihr Angriff hatte die fünf zwar überrascht, aber sie waren keineswegs bereit aufzugeben. Der Verwundete hatte inzwischen den Dolch aus der Wunde gezogen und hielt ihn nun in der Hand, bereit, auf Griseldis loszugehen. Genau in diesem Augenblick stießen Widukind, Hanno und Dithmar hinzu. Sie kreisten die Angreifer mit gezückten Schwertern ein. Ihre drohenden Blicke reichten aus, um sie in die Flucht zu schlagen. Griseldis‘ Dolch nahmen sie dabei mit.
„Lasst euch das eine Lehre sein!“, brüllte Hanno ihnen nach.
Dithmar war zu Griseldis geeilt, die die Forke fallen ließ und sich schluchzend in seine Arme warf. „Du bist genauzur rechten Zeit gekommen. Ohne dich wären wir verloren gewesen“, sagte sie mit zittriger Stimme.
Dithmar, der am wenigstens von allen getan hatte, widersprach ihr nicht. Zwar fühlte er sich als ihr stolzer Retter, dennoch verwirrte ihn, was er soeben mitangesehen hatte. Griseldis hatte nämlich ganz und gar nicht hilflos gewirkt. Im Gegenteil, sie schien genau zu wissen, was sie tat, und hatte dabei eine Kühnheit an den Tag gelegt, die ihm zu denken gab. Seine Verlobte war ihm plötzlich völlig fremd.
Unbeholfen stotterte er: „Aber wie es scheint, benötigtest du meine Unterstützung gar nicht!“
„Es war pures Glück, dass der Dolch oben in meiner Truhe lag, und noch größeres Glück war es, dass ich den Mann nicht verfehlte“, versicherte sie ihm.
„Dann hast du ihn nicht aus deinem Gewand gezogen?“, fragte er irritiert.
„Nein, du musst dich täuschen! Wie kommst du auf einen solchen Gedanken?“, erwiderte sie überzeugend, warf aber Hanno gleichzeitig einen warnenden Blick zu, damit er den Mund hielt.
„Ich hätte schwören können, dass er in deinem Ärmel war“, beharrte Dithmar.
„Das hast du auf die Entfernung falsch gesehen!“, beharrte sie und löste sich von ihm, bevor er die zweite Waffe an ihrem Arm ertasten konnte.
Hanno half Griseldis aus ihrer Verlegenheit. „Genug geredet, wir müssen zusehen, dass wir ins Haus des Kämmerers kommen. Zuvor holen wir noch Margreth. Dithmar, kommst du mit uns? Dort wärst du sicherer als in deinem Haus.“
Der Tuchmacher, der noch immer irritiert war, lehnte ab. Er fühlte sich in Griseldis‘ Nähe momentan unbehaglich.„Nein, ich muss zu meinem Vater. Er sorgt sich bestimmt schon um mich“, schob er vor. „Aber bis in die Scheffergasse begleite ich euch noch.“
Als Hanno sie in einem günstigen Moment allein sprechen konnte, meinte er: „Du bist sehr geschickt mit dem Dolch und auch mit den Füßen! Hoffentlich glaubt Dithmar dir. Er schien mir durcheinander und wusste nicht recht, ob er dir oder doch lieber seinen Augen trauen sollte.“
„Lass Dithmar meine Sorge sein. Sieh lieber zu, dass du uns in Sicherheit bringst“, erwiderte sie kühl.
Sie ahnte, dass er die Gefahr nur auf sich genommen hatte, damit sie seine Forderung erfüllte.
Hoher Dom zu Mainz
Conrad hatte dem Erzbischof die ablehnende Antwort Emichs mitgeteilt. Inzwischen war viel Zeit vergangen und sie wussten nicht, was draußen vor sich ging. Die Triumphgesänge der Wallfahrer und das Trommeln ebbten nicht
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