Das Blut von Magenza
geheime Kammer, in der ihr sicher seid. Aber wenn ihr es vorzieht zu sterben,hindere ich euch nicht. Entscheidet euch rasch, die Zeit läuft uns davon. Die Kreuzfahrer haben fast den gesamten Palast eingenommen. Die Soldaten des Bischofs sind, wenn nicht erschlagen, dann geflüchtet. Und über seinen Aufenthaltsort herrscht Unklarheit. Heute Morgen befand er sich im Dom, ob er noch dort ist, weiß ich nicht.“
Kalonymos schaute in die Mienen seiner Gefährten. „Was denkt ihr?“
„Viel Hilfe haben wir in den letzten Stunden nicht erfahren. Vielleicht sandte uns der Herr ja diesen Mann“, bemerkte Kalonymos‘ Sohn.
„Gut, dann lassen wir uns darauf ein“, meinte der Parnass zu dem Diener.
„Schnell hier entlang“, sagte er und ging voran zu einem geheimen Raum. „Dies ist das secretarium. Ich muss euch allerdings einschließen, damit niemand hineingelangt. Sobald die Gefahr vorüber ist, werdet ihr wieder befreit.“
Conrad betrat den Gebäudetrakt, der an den Bischofssitz angrenzte. Hier war noch alles ruhig und er hoffte, dass Isaac die Räume nicht verlassen hatte. Als er die Tür aufstieß, fand er den Knaben verängstigt und zitternd auf seinem Bett sitzend. Er hielt die Beine umschlungen und wiegte seinen Oberkörper vor und zurück.
„Was geschieht dort draußen?“, fragte er bang.
„Der Dämon wütet“, sagte Conrad entmutigt.
„Ich muss zu ihnen. Ich kann nicht hier bleiben, sie sind ein Teil von mir, so wie ich ein Teil von ihnen bin. Wenn ihnen Schlechtes widerfährt, soll es auch mir widerfahren“, weinte Isaac und stand auf.
„Bleib, wo du bist. Du kannst nichts mehr für sie tun!“
„Ich kann mit ihnen sterben!“
„Selbst dafür ist es zu spät“, stellte sich Conrad ihm in den Weg.
Isaac wollte ihn wegschieben, aber es gelang ihm nicht. Das Fasten hatte ihn zu sehr geschwächt.
„Denk doch an Sara, deine Mutter und deinen Vater“, versuchte Conrad ihn zu beschwichtigen.
„Du verstehst das nicht. Wir sind eine Gemeinde. Ich habe Saras Entschluss nie gutgeheißen. Lass mich gehen!“
„Nein!“, sagte der Mönch energisch und hielt ihn fest.
Isaac setzte sich zur Wehr. Er spuckte und trat um sich und versuchte den Mönch zu schlagen, dabei ging sein Atem immer schneller. „Ich habe einen Dolch. Wenn du mich nicht gehen lässt, richte ich mich selbst!“, stieß er hervor.
„Wo hast du den her?“, fragte der Mönch.
„Ich habe ihn von zu Hause mitgenommen und versteckt, falls ich ihn brauche“, hechelte er noch, dann verdrehte er die Augen und brach ohnmächtig zusammen.
Conrad fing ihn auf und trug ihn zum Bett. Der Knabe war leicht wie eine Feder. Er holte Wasser, benetzte seine Lippen, dann tränkte er einen Lappen und befeuchtete damit seine Stirn. Schließlich suchte er nach dem Dolch, und als er ihn gefunden hatte, nahm er ihn an sich. Er setzte sich an sein Bett und hielt Wache, bis draußen auch die letzten Schreie verstummt waren und sich die Stille des Todes ausbreitete.
Burg
Gerhard hatte Reinhedis, die Kinder, einen Teil des Gesindes und eine Abordnung Soldaten vorsorglich in den Geheimgang gebracht, wo er seine Familie sicher glaubte. „Der Ausgang ist zwar mit Steinen versperrt, doch lassendie sich leicht von innen entfernen. Zur Not könnt ihr dort hinausgelangen.“
„Gerhard, ich will aber bei dir bleiben!“, beharrte Reinhedis.
„Dein Platz ist hier bei den Kindern. Was soll aus ihnen werden, wenn mir etwas geschieht?“
Reinhedis widersetzte sich nicht länger. Auch wenn sie sich um ihn ängstigte, beschloss sie, für ihre Kinder stark zu sein. Sie schluckte ihre Tränen hinunter und versuchte, ihre Furcht zu verbergen. Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig, als sie ihn bat, auf sich zu achten.
„Das tue ich“, sagte er, küsste ihre Wange und ging, während sich ihre Töchter an sie schmiegten und sie ihren Sohn fest an sich presste.
Seine Soldaten wie auch einige wehrhafte Bürger, die ihnen vor dem Ansturm der Pilger zu Hilfe geeilt waren, hatten sich im Innenhof versammelt. Gemeinsam mit den Juden wollten sie sich den Kreuzfahrern entgegenstellen. Noch wusste niemand, dass der Bischofspalast gefallen war. Sie hofften, dass die Burg einem Angriff standhalten würde. Selbst die immer wütender werdende Menge vor dem Tor ließ ihre Zuversicht nicht schrumpfen. Da die Angreifer weder über Leitern noch über Rammen verfügten, glaubten sie nicht an eine Erstürmung.
Aber Wilhelm von Melun schmiedete einen perfiden Plan. In
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