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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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ältere Sohn den Vater beerbte, während der zweite der Kirche gehörte.
    Conrad, der damals noch regelmäßig unterrichtete, hatte gleich gemerkt, dass Widukind anders war als die anderen Buben. Seine anfängliche Wissbegier legte sich rasch und er lernte nur, wenn er unbedingt musste. Oft war er mit dem Herzen nicht bei der Sache, sondern starrte gedankenverloren vor sich hin. Sein Hang zu Tagträumen war aber keineswegs Ausdruck mangelnder Intelligenz, sondern spiegelte vielmehr Desinteresse am Lernstoff wider, denn Widukinds Vorstellungen von seiner Zukunft deckten sich – je älter er wurde – immer weniger mit denen seines Vaters.
    Seitdem er sich einmal in die Dombauhütte verirrt hatte, zog sie ihn magisch an. In jeder freien Minute schlich er sich fort, um den Steinmetzen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Da die Werkstatt nur einen Steinwurf weit entfernt lag, fand er auch häufig die Gelegenheit dazu. Weder Kälte noch Hitze, Regen oder Lärm noch der ständige Staub hielten ihn davon ab.
    Irgendwann hatte ihn Meister Archibald entdeckt und zur Rede gestellt. Als er ihn wegschicken wollte, wehrte sich Widukind, was wiederum den Meister erzürnte. „Hör zu, du ungezogener Nichtsnutz, du hast hier nichts verloren! Es ist viel zu gefährlich für einen Buben wie dich. Scher dich endlich weg, sonst setzt es Hiebe.“
    Widukind hatte trotzig aufgestampft und die Arme vor seiner schmalen Brust verschränkt. Mit dem zorngerötetenGesicht und seinem flachsblonden, gelockten Haar sah er aus wie eine Miniaturausgabe des Rachegottes persönlich. Conrad war Zeuge dieser Auseinandersetzung geworden und hatte amüsiert die beiden ungleichen Kontrahenten betrachtet, die ihn unwillkürlich an David und Goliath erinnerten, nur dass Widukind keine Schleuder besaß, sondern mit Worten kämpfte. Der Knabe legte eine solche Entschlossenheit an den Tag, dass Conrad ihn schon als Sieger sah.
    „Ich bin weder zu jung, noch wird mir etwas geschehen. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Ich bin nämlich nicht das erste Mal hier. Du solltest lieber auf deinen Lehrling da drüben achten, der zertrümmert gleich seine Arbeit. Er kann nämlich nicht mit dem Setzhammer umgehen“, stellte Widukind beharrlich fest.
    Archibald schüttelte erbost den Kopf. „Was verstehst du schon davon, so feucht wie du noch hinter den Ohren bist!“
    Kaum hatte er es ausgesprochen, ging der Stein zu Bruch und Widukind setzte eine triumphierende Miene auf. „Hab ich‘s nicht gesagt?“
    „Woher konntest du das wissen?“
    „Er hat kein Gespür für den Stein.“
    „Du bist ein kleiner Naseweis“, stellte Archibald fest. „Denkst du, dass du es besser kannst?“
    „Allemal!“, behauptete Widukind selbstsicher.
    „Gut, dann beweise es und runde die Ecke dieses Quaders ab“, forderte Archibald ihn auf und drückte ihm den Zweispitz in die Hand.
    Das war keine leichte Aufgabe, schon gar nicht für einen unerfahrenen Buben wie Widukind, und Archibald glaubte nicht, dass er es schaffen würde. Doch er unterschätzteWidukinds Ehrgeiz und Willenskraft, der sich weder durch die Blicke des Meisters noch die unkenden Zurufe der Gesellen beirren ließ. Zuerst begutachtete er den Stein, dann prüfte er das Werkzeug, indem er es in den Händen wog. Seine ersten Schläge gingen ins Leere. Aber er machte verbissen weiter, bis er sich an den Schwung des Zweispitzes gewöhnt hatte. Die anderen Lehrlinge und Gesellen hatten längst ihre Arbeit unterbrochen um zuzuschauen und Archibald ließ sie ausnahmsweise gewähren. Widukind geriet ins Schwitzen, doch er ignorierte es. Bald vergaß er alles um sich herum und schenkte seine ganze Konzentration dem Stein. Seine dürren Arme ermüdeten und er atmete schwer, aber er wollte sich keine Blöße geben und hörte nicht auf. Er offenbarte dabei so viel Geschick, dass er alle in Staunen versetzte. Conrad wurde sich in diesem Augenblick bewusst, dass dies die wahre Berufung des Knaben war. Nur ließe sich sein Vater gewiss nicht davon überzeugen.
    Als Widukind wenig später müde, aber stolz das Werkzeug zur Seite legte, hatte er nichts von seinem Selbstbewusstsein eingebüßt. „Was sagst du nun?“, fragte er vorlaut.
    „Und es ist wirklich das erste Mal, dass du einen Stein bearbeitest?“, meinte Archibald erstaunt.
    Der Bub nickte. „Ich habe aber schon Holz geschnitzt. Das geht erheblich leichter“, bemerkte er, wofür er etliche Lacher erntete.
    „Fürs erste Mal hast du es wirklich gut gemacht. Respekt,

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