Das Blut von Magenza
Während der letzten Jahre waren die Ernten gut und wir haben ausreichend verdient. Von dem erwirtschafteten Kapital erneuerten wir die Weinstöcke und kauften neue Fässer. Ein Gegenwert ist also da. Doch diese Argumente zählen nicht.“
Sara, die gerade selbst erfuhr, wie schwer die Krankheit eines Einzelnen die gesamte Familie belastete, wusste, was Cathrein durchmachte. Nur war ihre Lage noch schwieriger, da sie den Ernährer der Familie betraf und somit ihre Existenz gefährdete. „Wie schlimm steht es um Lorentz?“
„Bei ausreichender Pflege und genügend Bettruhe wird er wieder gesund. Doch wir haben kaum etwas zu essen. Den Arzt können wir auch nicht mehr bezahlen. So bekommt er auch keine Arznei. Und wenn wir den Wein nicht abfüllen, haben wir nichts zu verkaufen und verlieren baldHaus, Keller und Land“, schluchzte Cathrein. „Ich habe dir etwas Wein vom Vorjahr mitgebracht. Er ist noch gut. Du kannst dich von seiner Qualität überzeugen“, meinte sie und packte eine kleinen Krug aus.
„Er ist nicht koscher. Ich kann ihn nicht trinken, aber schenk mir dennoch etwas ein, damit ich seinen Geruch und sein Aussehen prüfen kann.“
Cathrein füllte den Becher zur Hälfte. Sara begutachtete ihn und nickte zustimmend. „Er ist klar und duftet angenehm. Unsere Magd soll ihn probieren“, meinte sie und ging Anna holen.
„Sag mir, ob dir der Wein schmeckt!“, forderte sie sie auf.
Anna kostete und nickte zustimmend. „Er schmeckt gut und ist nicht zu schwer.“
„Dank dir, du kannst wieder gehen“, meinte Sara.
„Allein auf Annas Urteil will ich mich nicht verlassen. Es gibt da einen Mann, der für uns arbeitet. Er wird euren Wein prüfen, bevor wir ins Geschäft kommen. Zuvor sollst du aber wissen, dass ich nur stellvertretend für Vater und Ehemann verhandeln kann und sie mir strenge Auflagen beim Erteilen von Krediten gemacht haben. Mein Onkel David überprüft mögliche Abschlüsse und hat das letzte Wort. Ich kann also nicht allein entscheiden.“
Cathreins letzte Hoffnung verflog. Sie fürchtete, Sara wolle sie genauso leer ausgehen lassen wie die anderen Bankiers zuvor. Sie nickte resigniert und stand auf um zu gehen.
„Bleib sitzen. Ich habe nicht gesagt, dass ich dir nichts gebe. Wieviel Geld benötigst du?“
Cathrein nannte eine Summe.
„Das ist viel und übersteigt den Rahmen, dessen, was mir gestattet ist. Aber ich bin bereit, dir den Betrag aus meinem eigenen Vermögen zu leihen.“
„Du besitzt ein eigenes Vermögen?“, staunte Cathrein, für die das unvorstellbar war.
„Ja, meine Mitgift. Sie macht mich im Falle einer Scheidung unabhängig. Deshalb muss ich ganz genau erwägen, ob du kreditwürdig bist. Ich will nämlich nichts riskieren.“
„Was musst du wissen?“, fragte Cathrein.
„Wie groß sind eure Weinberge und wie viele Fässer lagern in eurem Keller?“
Sie nannte ihr Größe und Anzahl.
„Das ist nicht gerade wenig. Und euer Kapital habt ihr wirklich in Land und Ausrüstung gesteckt?“
„Ja, wir sind keine Prasser“, versicherte ihr das Winzerweib.
Sara überlegte kurz und machte ihr dann einen Vorschlag: „Morgen schaue ich mir mit Christian euren Keller und die Weinberge an. Er ist äußerst versiert in diesen Dingen. Wenn wir handelseinig werden, besorge ich euch jemanden, der die Arbeit deines Mannes übernimmt“, meinte sie und nannte dann die Konditionen, zu denen sie Cathrein Geld leihen würde. „Bist du damit einverstanden?“
„Ja“, versicherte sie sofort.
„Weiß dein Mann eigentlich, dass du hier bist?“, wollte Sara wissen.
Cathrein senkte beschämt den Kopf.
„Also nicht“, bemerkte Sara ohne Vorwurf. „Dann belassen wir es zunächst auch dabei. Es reicht, wenn er davon erfährt, sobald ich meine Entscheidung zu euren Gunsten getroffen habe. Hier hast du einen Heller, hol davon den Arzt und kauf Essen. Erwarte mich morgen, eine Stunde vor Mittag.“
Cathrein war Sara überaus dankbar. Sie hielt das Geldstück in der Hand, als sei es ein rohes Ei. „Du bist sehr großherzig.“
Sara wiegelte ab. „Das gehört alles zum Geschäft.“
Nachdem Cathrein sich nochmals überschwänglich bedankt hatte und gegangen war, sah Sara nach ihrer Mutter. Sie schlief und würde nicht bemerken, wenn sie das Haus verließ. Mit dem Wein lief sie zu Christian, der selten früh zu Bett ging, weil er unter Schlaflosigkeit litt.
Bei ihm brannte tatsächlich noch Licht und er freute sich, sie zu sehen. „Was führt dich um diese
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