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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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sehr jung, als er sie zur Frau machte, und er mehr als doppelt so alt. Aber das hatte sie nicht geschreckt, im Gegenteil, seine Erfahrung entpuppte sich als Vorteil. Heimlich war sie zu seiner Gespielin geworden, wohl wissend, welche Konsequenzen das für eine junge Maid wie sie haben konnte. Aber sie hatte sich nicht davon abhalten lassen, denn die Begierde und Leidenschaft, die er in ihr entflammt hatte, machte sie gleichgültig gegenüber der Gefahr einer möglichen Entdeckung.
    Nach und nach fand sie heraus, dass Edelbert nicht nur ein Ritter war und für den Kaiser in die Schlacht zog, sondern auch als sein Vermittler auftrat und häufig mit geheimen Missionen betraut wurde. Davon wussten nur wenige Eingeweihte und genau das machte ihn für Griseldis nochunwiderstehlicher. Die Aura des Unergründlichen hatte sie schon immer angezogen und sie brachte ihn sogar soweit, ihr einen Teil seiner Geheimnisse anzuvertrauen.
    Edelbert gefiel ihre Wissbegier und er machte sie mit Dingen vertraut, die eigentlich nur Männern vorbehalten waren. So lehrte er sie den Umgang mit dem Dolch und zeigte ihr, wie man sich gegen Angreifer erfolgreich zu Wehr setzte. Griseldis lernte rasch und offenbarte darin so großes Geschick, dass er ihr riet, ihr Können durch häufiges Üben zu verfeinern. Ihr gefiel, was er ihr beibrachte, und da sie ihre erlernten Fähigkeiten nicht verlieren wollte, folgte sie seinem Rat. Seit sie in Mainz lebte, nutzte sie dazu den Verschlag hinter ihrem Haus, in dem sie auch ihre Duftwässerchen und Cremes herstellte.
    So plötzlich wie diese Affäre begonnen hatte, so abrupt endete sie auch. Von einem Tag auf den anderen wurde Edelbert wegbeordert und verschwand ohne ein Wort des Abschieds. Nur eine kurze Botschaft, in der er sie bat, ihn zu vergessen, erinnerte an die gemeinsame leidenschaftliche Zeit. Diese Nachricht besaß Griseldis immer noch, sie hatte es nicht fertiggebracht, sie zu vernichten. Denn noch immer schwelte in ihr das Feuer der Leidenschaft.
    Bisher hatte es keinen Mann gegeben, der diese Lücke füllen konnte, und in besonders einsamen Stunden wurde ihr der Verlust ihrer ersten Liebe erst richtig bewusst. Dithmar würde neben Edelbert nie bestehen können, aber mit den Jahren änderten sich ihre Ansprüche und sie war klüger geworden. Es wurde Zeit, endlich zu heiraten. Denn trotz ihrer Abenteuerlust verspürte sie zunehmend den Wunsch nach häuslicher Geborgenheit. Sie war sich zwar nicht ganz sicher, ob sie ein solches Leben erfüllte, aber viele Alternativen hatte sie nicht.
    Margreth unterbrach ihre Zukunftsgedanken, um ihr mitzuteilen, dass ein Herr sie sprechen wolle.
    „Wer ist es?“
    „Das hat er mir nicht gesagt. Aber er meint, es sei wichtig.“
    Griseldis, die froh über jede Unterbrechung war, zögerte nur kurz. „Führ ihn herein und dann zieh dich zurück.“
    Der Mann stellte sich ihr als Friedbert und Diener des Erzbischofs vor. Er war nicht mehr jung und dürr wie ein Rechen. Seine Haut hatte die Farbe vergilbten Pergaments. Aus seinem hohlwangigen Gesicht ragte eine spitze Nase und seine Augen waren von einem verwaschenen Grau. Ein schmaler Kranz aus schlohweißem Haar wand sich um einen fast kahlen Schädel. Schwarze Kleidung betonte die Magerkeit seines Körpers und seine dürren Finger erinnerten sie an Spinnenbeine. In seiner Rechten hielt er einen Beutel, in der Linken eine Nachricht. Hätte er anstelle des Beutels eine Sense bei sich, hätte man ihn glatt für den Schnitter halten können.
    „Erzbischof Ruthard schickt mich mit einer Botschaft“, sagte er mit gesenkter Stimme, die einem Flüstern gleichkam. „Soll ich sie dir vorlesen?“, fragte er zögerlich.
    „Das brauchst du nicht, ich kann lesen“, entgegnete sie lächelnd und streckte die Hand aus, in die er vorsichtig das Schriftstück legte.
    Sie brach das Siegel und las rasch die wenigen Zeilen. Der Erzbischof bat sie um ein Treffen, und zwar noch heute Abend. Das überraschte sie. Erst vorgestern waren sie sich begegnet und bereits jetzt wollte er sie sehen. „Weißt du, was dein Herr von mir wünscht?“
    „Nein, er gab mir nur Anweisungen, wohin ich dich bringen soll.“
    „Und was geschieht, wenn ich nicht mitkomme?“
    „Gar nichts“, erwiderte Friedbert mit ungerührter Miene.
    Griseldis stand vor einer wichtigen Entscheidung. Lehnte sie ab, fiel sie womöglich in Ungnade, denn – egal was Friedbert behauptete – man schlug nicht so einfach die Bitte des mächtigsten Mannes der

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