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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Platz
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Heller.“
    Sie reichte ihm seine Habseligkeiten, die er wegen seines angegriffenen Zustandes umständlich mit einer Hand in Empfang nahm.
    „Hast du dich um meine Wunden gekümmert?“, wollte er von Agnes wissen, während er mit seiner Linken das Bündel aufschnürte.
    „Nicht allein. Widukind versorgte deinen Unterarm, er ist übrigens gebrochen. Also benutze die Hand so wenig wie möglich. Graf Bolko wollte unterrichtet werden, sobald du erwachst. Ich gebe ihm Bescheid.“
    Yrmengardis verabschiedete sich. „Ich muss jetzt gehen. Morgen werde ich wieder nach dir sehen.“
    Hanno blickte ihr betrübt nach. Auch Agnes wollte den Raum verlassen, doch er hielt sie zurück. „Bevor du gehst, müsste ich noch Wasser lassen“, meinte er verlegen.
    „Ich bring’ dir das Nachtgeschirr“, entgegnete sie ihm ohne die Spur von Verlegenheit.
    Nachdem er fertig war, bedankte er sich. „Agnes, vielen Dank für deine Hilfe und den Trank. Ich spüre schon seine Wirkung.“
    „Heb dir deinen Dank für später auf, wenn du wieder ganz gesund bist. Aber wenigstens weißt du, was sich gehört. Ein Lump wirst du demnach nicht sein“, bemerkte sie noch im Hinausgehen.
    Nur wenig später trat ein Mann von stattlicher Statur ein. Dichtes, graues Haar umrahmte ein viereckiges Gesicht mit schmalen, hellen Augen. Hanno versuchte sich aufzurichten, doch Bolko deutete mit einer Geste an, dass er liegen bleiben sollte. Er musterte den jungen Mann eindringlich, der sich unter seinem Blick trotz Kleidung und schützenden Decken nackt vorkam.
    „Es geht dir also besser. Das ist gut. Agnes sagte, dass deinGedächtnis dich im Stich lässt?“
    Hanno nickte. „Ich bedaure das sehr. Aber ich kann mich an rein gar nichts erinnern. Weder an den Tag des Überfalls noch an die Zeit davor und erst recht nicht an meinen Namen.“
    „Dann wollen wir hoffen, dass dieser Zustand nicht von Dauer ist. Wenn du soweit genesen bist, dass du das Haus verlassen kannst, sehen wir uns im Dorf um. Irgendjemand wird sich wohl an dich erinnern können. Da du frühmorgens überfallen wurdest, hast du hier gewiss übernachtet. Später bringe ich dich dann nach Mainz. Dort wird man wissen, was mit dir zu tun ist. Und nun ruhe dich aus“, meinte er. „Sobald du in der Lage bist aufzustehen, kannst du mit mir und meinen Söhnen speisen.“
    „Ich danke dir für deine Gastfreundschaft!“
    „Ich tue nur, was sich für einen guten Christen gehört“, versicherte er ihm.
    Hanno blieb nachdenklich zurück. Allem Anschein nach war er Gevatter Tod gerade noch einmal entronnen. Und er hatte großes Glück, so freundlich aufgenommen zu werden. Doch trübte sein Gedächtnisverlust die Freude über seine Rettung. Er war jetzt ein Mann ohne Identität und dieses Bewusstsein erzeugte eine unheimliche Leere in ihm. Unter Mühen öffnete er das Bündel und begutachtete die darin enthaltenen Sachen, die ihm seltsam fremd erschienen. Er fand ordentliche Kleidung, einen Kamm und eine Börse. Arm war er – wie Agnes bereits festgestellt hatte – wenigstens nicht. Er kämmte sein zerzaustes Haar, wobei er schmerzhafte Erfahrung mit seinen Beulen machte. Dann legte er den Kamm zurück und verschnürte das Bündel wieder. Es gelang ihm, weitere Schlucke von Agnes‘ Sud und der Brühe zu nehmen, danach legte er sich wieder hin.Allmählich ließ sein Kopfschmerz nach und er fühlte sich leicht wie ein Schmetterling, bereit davonzuflattern. Kurz darauf sank er in einen traumlosen, heilbringenden Schlaf.

Freitag, 28. Dezember 1095, 29. Tewet 4856
    Mainz, Haus von Griseldis
    Hinter Griseldis lag ein äußerst langweiliger Tag. Außer zum Gottesdienstbesuch war sie nicht aus dem Haus gewesen und sie hatte auch niemanden getroffen, mit dem sie sich hätte unterhalten können. Beinah sehnsüchtig dachte sie an ihre Zeit am Hof zurück, wo sie immer jemanden zum Plaudern gefunden hatte. Hier war das anders. Außer Dithmar und Gerhard gab es kaum jemanden, mit dem sie reden konnte. Und selbst der Tuchmacher schien ihr aus dem Weg zu gehen. Sie fragte sich, ob sein Vater oder ihr spontaner Kuss Schuld daran hatte. Dabei war er harmlos gewesen, ganz anders als die Küsse, die sie mit ihrem ersten Geliebten Edelbert vor etlichen Jahren getauscht hatte.
    Wenn sie an ihn dachte, bekam sie noch heute dieses Flattern im Unterleib, das sein Anblick damals bei ihr ausgelöst hatte. Er war ein Ritter Heinrichs gewesen, gutaussehend, kampferprobt, unerschrocken und leidenschaftlich. Sie war

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