Das Blut von Magenza
Stadt aus. Gab sie aber nach, ließ sie sich auf ein Wagnis mit unbekanntem Ausgang ein. Sie hatte nicht viele Freunde in der Stadt und nur einen einflussreichen Gönner, der sich bislang als wenig gewinnbringend erwiesen hatte. Wenn sie sich gut mit dem Erzbischof stellte, konnte sie gewiss davon profitieren. Sie brauchte Unterstützung und Ruthard war einflussreicher als jeder andere. Entschlossen faltete sie den Bogen zusammen und barg ihn an ihrem Busen.
„Gut, ich werde seinem Wunsch nachkommen. Gehen wir?“, fragte sie Friedbert und stand auf.
„Warte noch, zuerst musst du das hier überziehen“, hielt er sie zurück und reichte ihr das Bündel.
Sie öffnete es und eine Nonnentracht kam zum Vorschein.
„Es ist weit genug und müsste über dein Gewand passen“, merkte er mit unbewegter Miene an.
Griseldis verstand sofort. „Ich soll wohl nicht erkannt werden und demnach geht es wohl auch nicht in den Bischofspalast, oder?“
Friedbert schenkte ihr ein schmallippiges Lächeln, das seine Ähnlichkeit mit dem Tod noch verstärkte, blieb ihr aber jede weitere Auskunft schuldig.
„Ich gebe Margreth nur schnell Bescheid, damit sie mir beim Umkleiden hilft“, meinte sie.
„Nein, sag ihr nichts. Schick sie und deine weiteren Bediensteten zuerst fort. Niemand soll erfahren, was du tust und keiner darf wissen, dass du als Nonne dieses Haus verlässt.“
Griseldis ging nach oben in ihre Schlafkammer. Dort schrieb sie schnell eine Notiz und trug Bertram auf, diese zum Adressaten zu bringen. Danach gab sie ihm den restlichen Abend frei. Sie schickte auch Margreth weg, der das nicht sonderlich gefiel, die sich aber fügte. Nachdem beide das Haus verlassen hatten, zog sie sich um. Zunächst streifte sie das braune, knöchellange Obergewand über und setzte dann die Haube auf, wofür sie einige Zeit benötigte, denn ihr Haar passte kaum darunter.
Als sie zu Friedbert zurückkehrte, war er von ihrer Verwandlung überrascht. Die stolze, junge Frau von eben mimte mit Überzeugung eine demütige Nonne. Vor allem wenn sie den Kopf senkte und die Hände vor dem Leib faltete, bot sie ein Bild göttlicher Hingabe. „Ich gehe voran“, meinte er.
Sie folgte ihm, hatte aber Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Trotz seines Alters war er erstaunlich flink. Friedbert führte sie kreuz und quer durch die Stadt, sodass sie bald die Orientierung verlor. Sie versuchte, sich den Weg einzuprägen, aber irgendwann ließ sie es sein. Zu guter Letzt ging es bergauf in die Weinberge. Das ganze Verwirrspiel diente wohl dazu, mögliche Verfolger abzuschütteln, obwohl sie niemanden entdecken konnte, der ihnen besondere Aufmerksamkeit schenkte.
Schließlich standen sie vor einem einsamen Haus, das von Weinstöcken umgeben war, und Griseldis bekam eine vage Ahnung davon, wo sie sich befanden. Friedbert öffnete die Tür und hieß sie eintreten. Er brachte sie in ein großes, gemütliches Zimmer, in dem bereits ein Feuer im Kamin brannte. Da die Luft dennoch abgestanden roch, nahm sie an, dass das Haus seit Längerem leer stand. Kerzen erhellten den Raum und tauchten ihn in warmes Licht.
„Du kannst die Tracht ausziehen. Im angrenzenden Zimmer findest du einen Tisch samt Spiegel und andere Utensilien, die dir dienlich sein können“, meinte Friedbert und ließ sie allein.
Griseldis schlüpfte aus dem Habit und legte ihn über die Lehne eines Stuhles. Sie strich ihr Gewand glatt, bevor sie die Tür zur angrenzenden Kammer aufstieß. Auch hier leuchteten Kerzen und Griseldis entging nicht das breite Bett mit den frischen Laken. Auf dem Tisch fand sie einen Kamm, mit dem sie ihr Haar wieder in Ordnung brachte. Außerdem gab es Bleiweiß, mit dem sie ihrer Haut eine vornehme Blässe hätte verleihen können. Aber da ihr Teint sowieso makellos war, bedurfte sie dieses Hilfsmittels nicht. Sie fand einen Flakon, in dem sich ein zartes Duftwasser befand, und tupfte es auf ihren Busen, die Handgelenke und die Innenseite der Fußknöchel.
Nachdem sie ihre Toilette beendet hatte, verließ sie den Raum, schloss die Tür und setzte sich an den Tisch, auf dem bereits eine Karaffe mit Wein und Kristallgläser standen. In diesem Moment trat ein Benediktinermönch ein, die Kapuze seiner Kutte tief in die Stirn gezogen. Griseldis hätte den Erzbischof beinah nicht erkannt. Besonders einfallsreich war ihre Tarnung nicht, aber andererseits gab es Mönche und Nonnen in Mainz zuhauf, da fielen ein paar mehr oder weniger nicht auf. Sie war
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