Das Blut von Magenza
durchstreifte die ausgedehnten Flächen, die sich zwischen der Stadtmauer und dem äußeren Ring der Wohnhäuser befanden. Manche lagen brach, weil sie zu sumpfig waren oder als Bleichwiesen dienten. Andere wurden als Obst-, Gemüse- und Weingärten genutzt. Mainz wirkte zwischen den weiträumigen Stadtmauern beinah etwas verloren und er fragte seinen Herbergswirt nach dem Grund.
„Die Stadt steht auf einer ehemaligen römischen Siedlung. Zum Schutz vor den Germanen umgaben die Römer sie mit einer Umfriedung. Auf dieser gründet angeblich die heutige Mauer. Damals war Mainz erheblich größer als heute, aber beschwören kann ich‘s nicht. Bin ja kein Gelehrter“, hatte dieser achselzuckend erwidert.
Nachdem Wolff sich einigermaßen im Gassengewirr der Stadt zurechtfand, bezog er seinen Beobachtungsposten vor dem Bischofspalast. Um nicht aufzufallen, tarnte er sich als blinder Bettler und spielte seine Rolle anscheinend mit großer Überzeugung, denn etliche Münzen landeten in seiner ausgestreckten Hand. Doch die ungewohnte Körperhaltung war anstrengend und schon bald schmerzten seine Glieder, allen voran die Knie und der Rücken, aber er gab nicht auf und biss sich durch. Zwei Tage hatte er vergebens gewartet, bis sich heute Abend ein erster Erfolg einstellte.
Kurz vor Anbruch der Dunkelheit verließ ein alter dürrer Mann die Residenz. Er schien zum Hausstand des Bischofs zu gehören und war dementsprechend gekleidet. Ohne Notiz von Wolff zu nehmen, ging er an ihm vorbei. Wolffharrte aus, bis die Tore geschlossen wurden. Er wollte seinen Platz gerade verlassen, als ein Mönch durch eine Seitenpforte huschte. Den Kopf verbarg eine Kapuze, sodass von seinem Gesicht kaum etwas zu erkennen war. In seiner Linken trug er eine kleine Laterne, mit der anderen sorgte er dafür, dass die Kapuze nicht nach hinten fiel. Wolff ließ sich von dieser Tarnung aber nicht täuschen, sondern vermutete den Erzbischof darunter. Ein Blick auf seine Füße bestätigte seine Annahme. Der Benediktiner trug nicht die üblichen Sandalen, sondern die Schuhe eines vornehmen Herrn. Um ganz sicher zu gehen, wollte er aber sein Gesicht sehen. Mit dem Stock in der Linken tastete er sich bis auf wenige Schritte an ihn heran. Der Mönch wollte ihm zunächst ausweichen, doch als er sah, dass der Bettler blind war, blieb er stehen.
„Geld kann ich dir keins geben“, sprach er Wolff an, „aber ich kenne eine Stelle, wo du zu essen bekommst. Soll ich dich hinführen?“
Doch Wolff wehrte freundlich ab. Er hatte die Bestätigung erhalten, die er brauchte. „Dank dir, ich weiß, wo ich Trank und Speis finde.“
Der Erzbischof setzte daraufhin seinen Weg fort, Wolff heftete sich an seine Fersen. Ruthard blieb immer wieder stehen und schaute sich um, weshalb er ausreichend Abstand zu ihm hielt. Unbemerkt folgte er ihm bis zum Dietmarkt, von wo aus es hinauf in die Weinberge ging. Jetzt ließ er sich zurückfallen, da die entlaubten Weinstöcke keinen ausreichenden Schutz boten. Die Laterne des Bischofs wies ihm aber den Weg, sodass er nicht fürchten musste, ihn zu verlieren. Schließlich betrat Ruthard ein einsam gelegenes Haus.
Wolff ging an ein Fenster, durch dessen Holzläden Lichtschimmerte. Er hörte die Stimme Ruthards und die einer Frau und nahm deshalb ein Stelldichein unter Geliebten an. Das würde die Verkleidung und die Heimlichtuerei des Erzbischofs erklären. Sie sprachen leise und er fing ein paar Wortfetzen auf, die seine Vermutung allerdings nicht bestätigten. Es klang nicht so, als trieben es die beiden miteinander und er begann, sich zu langweilen. Aber die Neugier hielt ihn hier fest, denn er wollte wissen, wer die Frau war. Er kauerte sich an die Hauswand und wartete.
Nach einiger Zeit kam der Erzbischof heraus und wenig später eine Nonne und der dürre Alte, den er vorhin vor der Residenz Ruthards gesehen hatte. Wolff ging ihnen nach bis in ein Wohnviertel, wo die Nonne in einem Haus verschwand. Er wunderte sich darüber und beschloss herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Nachdem er sich das Haus eingeprägt hatte, machte er sich auf in die nächste Schenke.
Burg
Reinhedis wälzte sich hin und her. Weder die Tropfen, die der Physicus ihr gemischt hatte, noch altbewährte Hausmittel brachten ihr den so dringend benötigten Schlaf. In ihren beiden vorherigen Schwangerschaften hatte sie keine Probleme gehabt. Aber dieses Mal litt sie außer an Schlaflosigkeit auch unter saurem Aufstoßen. Zudem schwollen ihre
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