Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
Augenblick so da. Als er die Haustür ins Schloss fallen hörte, zwang er sich dazu, aufzustehen. In letzter Zeit war er so furchtbar träge. Es war schon zu lange her, dass er aufgewacht war und an diesem Tag etwas vorhatte.
Er schlurfte nach unten ins Arbeitszimmer und starrte auf den Bildschirm.
Jemand hat mir gesagt, Sie können mir vielleicht helfen …
Sie hatte ihre Telefonnummer mit angegeben.
Was erwartest du, welchen Fehler wird deine Tochter machen, Lady? Und wieso glaubst du, dass ein Fremder daran etwas ändern kann?
Na gut. Er würde anbeißen. Er sah nicht, was es schaden könnte, sie anzurufen.
3.
»Ach?«, meinte Abe, als Jack mit einer Papiertüte in der Hand auf seinen Stammplatz hinter dem Tresen zukam. »Zwei Tage hintereinander – welchen Anlass gibt es dafür?«
In Jacks Leben hatte sich seit dem Januar viel verändert, aber in Abes Laden gar nichts. Der Isher Sports Shop blieb eine Konstante an seinem Firmament, mit den hohen Regalen voller Freizeitartikel, die niemand je zu sehen bekam, geschweige denn kaufte, dem abgewetzten Tresen am hinteren Ende und dem stabilen Stuhl, auf dem der Betreiber mit seinem essensfleckigen weißen kurzärmeligen Hemd und der glänzenden schwarzen Hose thronte.
»Ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.«
»Und da hast du dich dazu herabgelassen, mich mit deiner Gegenwart zu beehren.«
»Ich habe mir gedacht, du würdest einsam sein.«
»Das ist also reine Gefälligkeit.«
»Genau.« Er leerte die Tüte auf dem Tresen aus. »So wie das hier.«
Abe hob die Packung mit den Bagels auf und starrte ihn an. Seine hochgezogenen Augenbrauen bildeten Falten auf seiner größtenteils haarlosen Kopfhaut. Sein Haaransatz war schon seit der Gletscherschmelze zurückgegangen.
»Was soll das? Du bringst mir kalorienreduzierte Bagels mit? Was ist ein kalorienreduzierter Bagel? Und Frischkäse mit vermindertem Fettgehalt? Warum quälst du mich?«
Jack beachtete die Frage gar nicht, weil Abe die Antwort bereits kannte: Sein immer weiter zunehmender Taillenumfang machte Jack Sorgen. Nicht aus ästhetischen Gründen – ein magerer Abe wäre ein unerträglicher Anblick –, aber er hegte die Befürchtung, dass das jetzige Ausmaß dieses Umfangs das Leben seines besten Freundes verkürzen könnte.
»Hast du dich in letzter Zeit mal gewogen?«
»Ich war gerade erst gestern auf der Waage.«
»Und? Wie sieht’s aus?«
»Ich konnte die Anzeige nicht sehen. Mein Bauch war im Weg. Man sollte diese Dinger so konstruieren, dass auch Menschen wie ich sie ablesen können.«
»Ach komm, Abe. Und falls sie sprechen könnte, dann hätte sie vor Schmerzen geschrien.«
Abe seufzte. »Ich habe die Zahl gesehen. Sie war sehr hoch.«
»So hoch wie einer der Monde des Jupiters, möchte ich wetten.«
»Als ich sie gesehen haben, musste ich mich einer unausweichlichen Tatsache stellen.«
»Dass du sofort abnehmen musst, richtig?«
»Nein, dass ich eine neue Waage brauche. Meine alte ist zweifellos kaputt.«
Jack schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Diesen Gag hast du lange vorbereitet, oder?«
»Was soll ich sagen? Ich habe überhaupt keine Skrupel.«
»Warum versuche ich das überhaupt? Nächstes Mal gehe ich bei Muller’s vorbei.«
Abe grinste: »Und dann bringst du mir eines von deren Elefantenohren mit?«
»Meinetwegen. Ein bisschen Süßzeug zur Entspannung kann uns beiden nicht schaden.«
»›Uns‹?«
»Ich hatte gestern wieder diesen Traum.«
»Oh.« Abe öffnete die Packung mit den Bagels und fügte hinzu: »Es könnte sein, dass du ihn so lange haben wirst, bis du es ihr sagst.«
Das verblüffte Jack. War das möglich? Nein …
»Das erklärt nicht den Beobachter und dass er offenbar der Auslöser für den Traum ist. Aber ich habe wirklich vor, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Ich warte nur auf den richtigen Moment, die passende Situation.«
Er wartete jetzt schon seit Monaten auf den richtigen Moment, die passende Situation. War das einfach nur Feigheit?
»Hast du Angst davor, wie sie darauf reagieren wird?«
»Glaubst du, dass ich Angst haben sollte?«
»Ich weiß es nicht. Ihr ist etwas Schreckliches angetan worden – euch beiden, und auch Vicky. Du hast keine Schuld daran, aber …«
Ja … aber. Seine einzige Schuld lag darin, dass er sie liebte, aber würde sie das auch so sehen?
»Sie hat ihr Baby verloren und beinahe auch ihren Lebensunterhalt. Es ist für sie schlimm genug, mit diesen Verlusten fertigzuwerden – und das,
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