Das Blutbuchenfest
höchstens einmal fünfzehn Minuten einnickte, wenn er sich nach dem anstrengenden Liebesgeschäft entspannte. Seine Abende gehörten vorwiegend Frau Breegen, und allein deswegen hielt es Maruscha für geraten, daß er sich nicht allzu sicher fühlte. Sie grollte ihm nicht wegen dieser Abende. Sie hatte einen altmodischen Sinn für die Rangordnung der Gesellschaft. Selbstverständlich besaß eine Ehefrau vor der Geliebten unantastbare Rechte, jedenfalls solange sie Ehefrau war, aber Herr Breegen mußte nicht darauf gestoßen werden, daß Maruscha das so sah. Es war immer gut, wenn ein Mann sich ein wenig schuldig fühlte, und gerade ein Mann, der so viel bewegte, wie Herr Breegen auf dem nur scheinbar unbeweglichen Feld der Immobilien, mußte in einer Zange gehalten werden, und zum Glück gab es diese Zange mit den beiden Backen Wereschnikow und Frau Breegen, die ihm schon bei der bloßen Erinnerung Beklemmungen bereiteten. Von ihrer Seite war aber nicht der leiseste Zynismus im Spiel bei solchen Überlegungen. Sie bewunderte bereitwillig die Männer, mit denen sie sich beschäftigte, und schätzte ihre jeweiligen Eigenschaften. Liebevoll betrachtete sie Breegens weißes mürbes Fleisch, seine Haut, die so zart war wie Glacé-Handschuhleder und ebensolche Fältchen warf. Wie überraschend war das, wenn er sein gestärktes Hemd ablegte und es sorgfältig auf einen Stuhl hängte, damit es nicht zerknitterte, wenn er aus dieser Rüstung herausstieg, die ihn so ehrfurchtgebietend umschloß, und sich mit hängenden Schultern und sackartigem, von der Weste nicht mehr in Form gebrachten Bauch schutzlos ihren Blicken darbot. Das war für sie ein stets neu anrührendes Bild; ein zweiter Herr Breegen trat da vor sie, nicht mehr der Mann, bei dessen Anruf der Baudezernent der Stadt blaß wurde; und dabei verlor er seine Macht ja gar nicht, das bewiesen allein die knappen Telephonate, die er auch vom Bett aus führte, es wurde eben eine liebenswerte Macht, und es entging ihr nicht, wie sorgfältig Herr Breegen seinen alternden Körper pflegte. Die kleinen fetten Füße waren von der Pediküre rosig geschmirgelt, die Fingernägel von einer Maniküre ein wenig spitz zulaufend gefeilt. Maruscha war eigens bei Breegens Friseur vorbeigegangen, um sich die Maniküre anzusehen. Sie hatte den leichten Verdacht, daß es sich bei diesem Salon um ein diskretes Ladenbordell handelte, und hielt es für ausgeschlossen, daß Herr Breegen bei der längeren Prozedur des Streichelns und Zupfens und Betastens seiner kurzfingrigen Hände völlig unempfindlich bliebe. Zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gab es eine warmgelbliche Verfärbung von den Zigaretten her. Was nahm Herr Breegen allein auf sich, wenn er sie besuchte und zwei Stunden lang nicht rauchen durfte! – nicht, weil sie das nicht gemocht hätte, sie küßte gern einen Zigarettenmund, sondern wegen Wereschnikow, der den kalten Rauch trotz Lüftens erschnuppert hätte. Dabei hatte sie von ihm keinen detektivischen Instinkt zu befürchten. Sie hielt sich im übrigen für imstande, jedenfalls mindere Formen von Evidenz durch kompromißloses Leugnen wegzureden. Gerade etwas so Unbestimmtes wie ein Geruchsfähnchen im Zimmer hätte vor der Bestimmtheit ihrer Rhetorik keine Überlebenschance.
»Du riechst Rauch? Ich rieche nichts. Du selbst hast den Rauch hereingebracht. Deine Jacke stinkt nach Rauch … Wo bist du gewesen?«
Aber das mußte man ja nicht dreimal in der Woche exerzieren.
Herrn Breegens Rasur war so musterhaft, daß sie allen Ehebrechern Vorbild hätte sein können: Die Stoppeln waren nicht einfach von der Hautoberfläche abgesäbelt, sondern bis geradezu auf die Wurzeln ausgejätet, so daß die Wangen in weichem Talgglanz erschimmerten, während Wereschnikow zur Schlamperei beim Rasieren neigte und es sich offenbar als männliche Großtat anrechnete, wenn seine kratzige Liebkosung rosige Flecken auf Maruschas Milchwangen hinterließ. Nein, Mann war nicht gleich Mann, so naheliegend und überzeugend und den meisten Lebenssituationen auch genügend diese Weisheit klang.
Wie unterschiedlich liebten sie! Maruscha hatte der Versuchung nicht widerstehen können, zu einem großen Ausschnitt einen Büstenhalter zu tragen, der die Brüste apfelrund in die Höhe preßte; schwebte ihr das Rokoko der Gräfin du Barry vor? Mit ihrem nackten illusionsfreien Blick kam sie sich dann eher wie das Mitglied einer Volkstanzgruppe vor, was gewiß auch etwas Hübsches war.
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