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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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weitgehend bekleidet, aber ohne Schuhe vorfand, im Fernsehgucken vereint, immerhin bei einer Sendung mit Wereschnikow? Breegen ließ die Wutanfälle, physischen Attacken und ähnliches beiseite, auch ein türenknallendes Das-Haus-Verlassen. Was wäre von all dem die Folge, darum ging es doch; die unmittelbare Reaktion mochte noch so unangenehm sein, wichtiger war: Wie ging es dann weiter?
    Was wäre etwa, wenn Wereschnikow Maruscha daraufhin verließe? Das war nicht ausgeschlossen, selbst bei einem Mietesparer. Und was wäre dann? Breegen schmeichelte sich, daß dies Ergebnis Maruscha vermutlich entgegenkäme. Sie ging allzu sorglos mit Wereschnikow um und trug wahrscheinlich sogar eine gewisse Schuld an dem lächerlichen Verlauf dieses Nachmittags. Wäre sie allein, sie würde, das war ihm klar, augenblicklich beginnen, die Daumenschrauben bei ihm anzusetzen. Es gäbe ja nun keinen Hinderungsgrund mehr, ganz füreinander da zu sein – »Es muß keine Heirat sein«, sagte Maruscha gelegentlich, »wer denkt heute noch an Heirat, aber eine Normalität ohne Heimlichkeiten – die sind zwar zur Zeit noch notwendig, aber doch eigentlich unwürdig.« Würdig, unwürdig, diese Begriffe sollten sie offenbar nicht mehr loswerden. Alles in ihm verlangte nach unumschränktem Besitz Maruschas. Er wäre, fühlte er, bereit, sich für sie in die schwärzesten Sümpfe zu stürzen, im warmen Sumpf verkommen, im blubbernden Sumpf sich aalen – nichts wäre wünschenswerter und nichts wäre näher an der höchsten vorstellbaren Glückserfüllung – aber was machte er mit Frau Breegen?
    Für Maruscha war Frau Breegen ein alter Besen, den man in die Mülltonne wirft. Sie hatte sie einmal gesehen, mit Wereschnikow an einem anderen Tisch in Breegens Italiener sitzend, und zog ihn seitdem mit ihr auf. Man könne es sich kaum vorstellen, aber sie vermute, Frau Breegen sei einmal ein ganz appetitliches kleines Ding gewesen, so begannen die Sticheleien, die Herr Breegen mit gerunzelter Stirn anhörte. Sie hatte tausendmal recht, aber da war nichts zu machen, und er hatte nicht vor, ihr das zu erklären. Frau Breegen war nicht so einfach aus der Welt zu schaffen, und zwar nicht nur, weil er ihr seit der großen Pleite einen beträchtlichen Teil seines Geldes überschrieben hatte. Er bereute diese Entscheidung auch heute nicht, er hätte nichts Besseres tun können. Die Abhängigkeit, die dadurch entstanden war, sie war auch vorher schon dagewesen. Zwei Entschlüsse standen fest: Er würde sich niemals von Maruscha losreißen, und er würde sich niemals von Frau Breegen scheiden lassen. Das waren die Bedingungen, unter die er sein Leben gestellt sah. Sie erschreckten ihn nicht, sie schlossen einander nicht aus. Im Geschäftsleben hatte er oft vor schwierigeren Antinomien gestanden. Der Fehler war, immer gleich alles lösen zu wollen. Das war töricht, es ging dabei zu viel kaputt. Abwarten war gut, Zeit verstreichen lassen. Vieles erledigte sich von selbst, und wenn nicht, dann war es durch die bloße Dauer Gewohnheit geworden, die Gewohnheitsrecht beanspruchen durfte. Begabte Leute bekamen in ihrem Leben vieles unter. Die Gegensätze schlossen sich nicht aus, so wie man als Bankrotteur ein sehr wohlhabender Mann werden konnte. Aber die Frauen – hier verallgemeinerte Breegen, er meinte aber nur Maruscha und Frau Breegen – sahen das ganz anders. Wäre Wereschnikow von dannen, würde Maruscha ihm unablässig in den Ohren liegen, er müsse sich endlich zu seiner Liebe bekennen, er müsse das Doppelleben beenden, er müsse, er müsse …; bekäme jedoch Frau Breegen Wind von Maruscha, dann folgte die Scheidung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt, das versicherte sie ihm mindestens einmal im Jahr: »Tu was du willst, aber laß dich nicht erwischen, du hast keine zweite Chance«, es war dieselbe leidenschaftslose, geschäftsmäßige Festigkeit, die er an ihr auch dann bewunderte, wenn sie sich zu seinem Nachteil auswirkte. Hätte er dem Fernsehplauderer die Brust geboten, sein Friede wäre dahin gewesen. Es gab keinen Ausweg aus dem Schrank.
    Wie lange stand er nun schon hier zwischen den Mänteln? Was ging dort oben vor? Hatten die beiden die Wohnung gar wieder verlassen? Befand er sich im Schrank wie jene berühmten japanischen Soldaten, die sich auf den Südsee-Inseln so gut versteckt hatten, daß sie das Kriegsende erst viele Jahre später mitbekamen? Ein seltsames Wort fiel ihm ein, das einzige, das ihm aus dem Interview im

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