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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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und die echtgoldenen Sammellöffel von der Firma Rosenthal stehlen kann!«
    Solche Triumphe wollte Maruscha sich nicht leisten. Sie war im Gegensatz zu Wereschnikow und seinen zahlreichen Politikerverbindungen ein echt politischer Kopf: »Politik, die Kunst des Möglichen«, das hätte ihr gefallen, sie verhielt sich entsprechend, auch ohne diese Devise zu kennen.
    »Nicht geschenkt nähme ich dieses Haus!« rief Wereschnikow und scheute nicht davor zurück, mit den Armen im Sinn apotropäischer Gesten gegen die abweisende Fassade und die im Obergeschoß herabgelassenen Rolläden herumzufuchteln. Falsch, dachte Maruscha, geschenkt nähme ich dies Haus sehr gern, und es ist nicht einmal völlig ausgeschlossen, daß ich es eines Tages tatsächlich geschenkt bekomme und dann sehr zufrieden damit sein werde; aber sie sah dennoch mit einem vergnügten Lächeln auf ihren Freund, während sie ihn weiterzog und sich im stillen fragte, warum er seinen Ausbruch gerade vor der Villa Breegen hatte bekommen müssen, die sich doch in nichts Wesentlichem von den Nachbarhäusern unterschied – »Er ist nicht so ahnungslos, wie er glaubt, er hat eben doch Intuition«, dachte sie und sah ihn von der Seite mit erneuerter Hochachtung an.
    Das Obergeschoß hatte nicht umsonst einen verlassenen Eindruck gemacht, denn hier lag Herrn Breegens Büro, das am Wochenende geschlossen war. Der Samstag war deshalb jener Tag, an dem Ivana hier putzte, ein Termin, der nicht verschoben werden konnte, auch wenn er einmal nicht gut paßte, als nämlich Herr und Frau Breegen zum Beispiel zum Ball des Sports nach Wiesbaden fahren wollten. Frau Breegen ließ es sich niemals nehmen, dabeizusein, wenn Ivana putzte, und auch selbst zuzugreifen, und dafür hatte sie, nachdem sie vormittags lange beim Friseur verbrachte und nachmittags noch den Masseur erwartete, eigentlich nicht die rechte Verfassung. Aber das half nichts. Für Frau Breegen bestand ein häusliches Leben nicht in Beschaulichkeit.
    Sie war Hausfrau und gebot über mehrere Hilfskräfte. Ein Gärtner pflegte den kleinen Vor- und den etwas größeren hinteren Garten, ein Hausmeister war mit den Kellerräumen befaßt, eine Frau half ihr in der Wohnung und Ivana im Büro, aber sie durfte sich schmeicheln, mehr zu arbeiten als ihr Mann; sie betrachtete ihren Haushalt als großes Räderwerk, das unablässig in Gang gehalten werden wollte, und Herr Breegen hielt sie nicht davon ab. Er war für jeden Abend dankbar, an dem sie erschöpft in die Kissen sank, denn ihre Kraft war so groß, daß sie sich, unbeschäftigt, gegen sie selbst gerichtet hätte. Daß Ivana von ähnlicher Natur war, hatte Frau Breegen bald heraus, wenngleich sie sich nicht täuschen ließ. Ohne durch Mitarbeit kaschierte Kontrolle wäre Ivana nicht so gründlich gewesen. Nur im Hause Breegen fand Ivana eine solche Auswahl spezialisierter Putzinstrumente, Staubsaugeraufsätze und Reinigungsmittel vor. Es handelte sich um eine echte Ausrüstung verwissenschaftlichten Putzens. Alle Metallteile, Kacheln, Glaswände, Türflächen, Teppichböden wurden aus eigenen Flaschen angesprüht, eingerieben, getränkt und gewischt. Die unterschiedlichsten Duftstoffe mischten sich in der Zimmerluft und verkündeten jeder Fliege, Spinne, Motte, Mücke den Tod, dies waren lebensfeindliche Zonen für nicht-menschliche Wesen. Wenn es in alle Klosettschüsseln türkisfarben sprudelte und eine medizinisch reinliche, geradezu an Mundwasser gemahnende Frische sich auch in diesen Kabinetten ausgebreitet hatte, wenn die Teppichböden vor Elektrizität knisterten und die Schreibtische dastanden, als seien sie eben erst aus der Plastikfolie geschält worden, dann war ein Wochenwerk vollbracht.
    Ivanas Bauch war nun schon ziemlich rund. Sie versteckte ihn nicht, sondern trug wie stets zum Putzen einen schwarzen Jogging-Anzug, unter dem sich ihr Zustand deutlich abzeichnete. Es war schon anstrengender, sich zu bücken, wenn sie die Fußleisten abrieb, während Frau Breegen mit den Schreibtischlampen beschäftigt war und nur mit schnellem Seitenblick verfolgte, ob den Fußleisten wirklich die erforderliche Sachkunde entgegengebracht werde. Ivanas Mutter hatte, so wurde es in der Familie stets weitergegeben, bis einen Tag vor der Geburt jedes ihrer Kinder auf dem Acker gestanden und wäre zweimal sogar beinahe auf offenem Feld niedergekommen. Wenn Ivana daran erinnerte, konnte das in zweierlei Tonfall geschehen – als Klage über finstere, gnadenlose

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