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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Erregung inzwischen überwunden. Ihre explosive Stimmung war zurückgekehrt und verwandelte sich in Zorn auf diese Frau, die sich vor ihr brüstete und spreizte und so tat, als lebe sie nicht auf hauchdünnem Eis, als sei ihr Leben ein Fest und ihr Mann ein sicheres Fundament.
    »Frau Breegen, sag so etwas nicht!« fuhr Ivana sie an, auf das Rohr des Staubsaugers gestützt, das Duzen war nicht als Respektlosigkeit gemeint, Sie und Du gerieten bei Ivana immer noch durcheinander, und Frau Breegen wußte das auch, aber das Du paßte jetzt natürlich besonders gut. »Ich stinke, Haare ungewaschen, den ganzen Tag gearbeitet, dicker Bauch – laß du mich in Ruhe!«
    Frau Breegen wollte auffahren und eine scharfe Antwort geben, da fühlte sie sich von ihrem Mann an den Oberarmen gepackt und nachdrücklich aus dem Zimmer geschoben. Sie solle sich fertigmachen und Ivana weiterarbeiten lassen, das kam in unaufgeregtem Ton, der Widerspruch nicht duldete. Sie sah ihn verwundert an, während sein Blick, ausdruckslos wie stets, zu Ivana wanderte; auch sie schenkte ihm einen ausdruckslosen Blick, ließ aber ihre Augen länger in den seinen verweilen.

Zwölftes Kapitel
    Der philosophische Augenblick
    Nichts beglückender, als mit Winnie im Dunkeln auf der Markiesschen Büro-Terrasse zu sitzen und den Markiesschen Vertragschampagner zu trinken – es wurden übrigens zwei Flaschen, als ob da gleich zwei Verträge zu feiern und rituell zu fixieren gewesen wären, aber Winnie nahm das gelassen, es komme manchmal dazu, daß eine Flasche zu früh geknackt werde. Frau Markies presche gelegentlich vor und spreche von »Nägeln mit Köpfen«, wenn noch gar nicht ausgemacht sei, in welches Brett die betreffenden Nägel geschlagen werden sollten.
    Nichts schwieriger, als von diesem Abend zu einem zweiten zu gelangen. Im titelsüchtigen Barock hätte man sich für Winnie die Anrede »Euer Unverbindlichkeit« ausdenken können, aber darin wäre keineswegs der Vorwurf der Kühle enthalten gewesen; diese Unverbindlichkeit schien aus einem geradezu demokratischen Gerechtigkeitswillen zu stammen, jedem Menschen in gleicher Weise entgegenzukommen, in bezaubernder Herzlichkeit, die eben nur keine Exklusivität begründete. Allenfalls, so stellte ich mir vor, wäre sie zu besonders unangenehmen Leuten noch ein bißchen herzlicher, um deren Mangel auszugleichen und ihnen dasselbe Wohlgefühl zu vermitteln wie den dafür empfänglicheren. So brachte ich es tatsächlich fertig, mich von ihr zu verabschieden, ohne ein neues Treffen auszumachen, ohne ihre Telephonnummer zu erfahren, ohne ihre Adresse auch nur zu erahnen. Vielleicht wohnte sie tatsächlich wie eine Meise in einem kleinen, ihrem Körper rundum wie ein Schmucketui angepaßten Nest – nein, da gab es ja die Tante, aber das war womöglich erst recht ein nur vorübergehender Aufenthaltsort. Ich ließ ein paar Tage verstreichen, bevor ich wieder in der Agentur Markies anrief. Mir war, als hätte jede andere Art der Annäherung, alles Absichtsvolle, Zielbewußte, sie geradezu von mir weggetrieben, als sei ihr nur willkommen, was sich ohne ihr Zutun und ohne fremde Strategie ereigne. Leicht fiel mir der Anruf nicht. Frau Markies selbst an den Apparat zu bekommen, das wäre mir durchaus peinlich gewesen, bei manchen Leuten kostet es einen mehr, Entschuldigungen entgegenzunehmen, als ihre Unverschämtheiten zu ertragen. Aber da schätzte ich die Dame falsch ein. Sie hatte nicht vor, Erklärungen abzugeben, so wie Gesellschaftsmenschen vermeiden, sich für kleine Rülpser zu entschuldigen und damit die anderen auf den Lapsus erst aufmerksam zu machen. Ich kam dazu noch von Wereschnikow und hatte auszustehen, was eigentlich ihm galt.
    Sie war indessen nicht im Haus. Sie war für Anrufe meines Kalibers ohnehin meist nicht im Haus, aber das wortkarge, geradezu muffige Mädchen, das sich meldete, wußte nichts von Winnies Verbleib. Sie sei schon gestern nicht dagewesen. Sie wisse nicht, ob Winnie morgen wieder da sei – ihre Stimme suggerierte, ohne es auszusprechen, daß es in diesem Hause nicht geschätzt werde, nun jeden Tag nach Winnie befragt zu werden – Winnie werde gewiß anrufen, wenn sie dazu wieder in der Lage sei. Sie war jetzt wirklich von mir weggerückt, aus »Euer Unverbindlichkeit« war »Euer Unerreichbarkeit« geworden. Es gehörte doch sicher zu ihren Gewohnheiten, sich allabendlich bei den Jugend-Wasserlöchern der Stadt einzufinden. Ob sie gar damit rechnete, mir an solchen

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