Das Blutgericht
töte?«
Ich war froh, dass Kaufman nicht antwortete. Jetzt war ich an der Reihe.
»Das werden Sie nicht tun, Dantalion«, sagte ich. Dann stand ich auf. Ich riskierte, dass er auf mich schoss, aber vielleicht würde sich eine freie Schussbahn durch Bradley hindurch auf die Körpermitte des Mannes ergeben.
»Oh, Sie kennen meinen Namen?« Dantalion drehte sich ein Stück zu mir. Immer noch keine freie Schussbahn. »Touché, Mr. Hunter.«
»Ich kenne den Weichei-Namen, hinter dem Sie sich verstecken«, sagte ich ihm. »Was ist eigentlich mit euch ganzen Versagern los? Wozu der dämliche Name? Das macht ihr Geisteskranken doch alle.«
Ich hatte gehofft, ihn so wütend zu machen, dass er vielleicht für einen kurzen Moment aus seiner Deckung kam. Es gelang mir nicht. Statt ihn zu provozieren, wie ich es vorgehabt hatte, schienen meine Worte Dantalion zu gefallen. Er kicherte in sich hinein und schob dabei Bradley einen kleinen Schritt vor sich her. Ich machte den Schritt mit und bewegte mich vom Audi weg.
»Sie warten auf eine Schussgelegenheit«, betonte Dantalion. »Tun Sie’s doch. Schießen Sie schon.« Er ließ den Lauf der Glock sinken, damit er Bradleys Jacke ein Stück zur Seite schieben konnte. Darunter verbarg sich eine kugelsichere Weste. Seagram hatte von seinem Schützling verlangt, sie zu tragen, als es schon zu spät war. Kurz fragte ich mich, wo der Bodyguard wohl abgeblieben war. Wahrscheinlich zur Hölle gefahren. Dantalion fuhr fort: »Sehen Sie, das einzige Problem ist jetzt, dass Sie durch Bradleys Kopf schießen müssen. Würden Sie wirklich so weit gehen?«
»Ja«, sagte ich.
Das ließ den Psychopathen erst einmal kurz stutzig werden. Dann aber schob er Bradley wieder ein Stück vor. »Sie hätten es schon längst getan«, sagte er, aber nun lag ein Anflug von Skepsis in seiner Stimme.
Ich ging etwas tiefer in die Knie, wollte ihn mit meiner etwas übertriebenen Schussstellung provozieren. Ein riskanter Schritt, sehr riskant sogar. Aber Dantalion stieß Bradley nicht zur Seite und eröffnete das Feuer, wie ich es gehofft hatte. Wenn überhaupt, verstärkte er nur noch seinen Klammergriff um den jüngeren Mann. Sein Gesicht war kaum zu sehen, verdeckt von Bradleys hin und her kullerndem Kopf.
»Gut. Jetzt, wo wir das geklärt hätten, wird Folgendes passieren.« Seine Glock hielt er weiterhin auf mich gerichtet, aber mir fiel auf, dass er den Kopf zur Seite geneigt hatte. Ich machte einen Schritt rückwärts auf den Audi zu. Seine Pistole zielte nun ein ganzes Stück an meiner rechten Schulter vorbei. Er bemerkte nicht, dass ich vorsichtig meine Position verändert hatte. Stattdessen rief er Kaufman zu: »FBI-Mann, werfen Sie Ihre Waffe über die Mauer. Sie haben drei Sekunden Zeit, sonst ist Bradley so tot wie Ihr Kumpel da drin.«
»Ich gebe meine Waffe nicht her«, weigerte sich Kaufman.
»Ihre Sache. Eins, zwei …«
Kaufmans Dienstrevolver klackerte neben Dantalions Füßen auf den Boden. Ich fluchte vor mich hin. Wir hatten einen entscheidenden Vorteil verloren, und das wusste Dantalion. Aber er sah nicht, wie ich mein Gewicht auf den anderen Fuß verlagerte und mich weitere wertvolle Zentimeter aus seiner Schusslinie bewegte.
»Das Gleiche gilt für Sie, Hunter.«
»Nein.«
»Drei Sekunden.«
»Wenn Sie bei drei ankommen, sind Sie tot.«
»Eins. Zwei …«
»Drei!«, sagte ich.
Keiner von uns beiden feuerte.
»Und wie geht es jetzt weiter, Arschloch?«, fragte ich ihn. »Sie hören sich an, als seien Sie ein fairer Mensch. Sie stellen doch Leute gerne vor die Wahl, oder nicht? Wie wäre es, wenn Sie sich dafür entscheiden, Ihre Waffen niederzulegen? Lassen Sie Bradley laufen, und vielleicht bekommen Sie eine bequeme Gefängniszelle statt eines Lochs im Kopf.«
»Mit dem Gefängnis hab ich es nicht so«, sagte Dantalion. Er rückte ein weiteres Stück vor, Bradley war immer noch der gefügige Tanzpartner bei diesem langsamen Walzer.
»Sie sehen aus, als hätten Sie das Sonnenlicht schon lange nicht mehr gesehen, aber das ist ja nichts Besonderes, wenn man irgendwo aus dem Dreck gekrochen kommt.«
»Sie verschwenden Ihre Zeit, Hunter. Sie können mich reizen, so viel Sie wollen, ich werde nicht anbeißen.«
»Also haben Sie sich für die Kugel im Kopf entschieden?«, fuhr ich unbeirrt fort. »Nicht dass ich das nicht nachvollziehen könnte. Bei so einem hübschen weißen Arsch wie Ihrem werden alle Schlange stehen im Staatsgefängnis.«
Dantalion antwortete nicht.
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