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Das Blutgericht

Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Hilton
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ertragen und sich darauf einstellen, trotzdem zu funktionieren. Schade, dass unser Geist nicht immer im gleichen Maße belastbar ist. Seagram war nicht mehr bei Sinnen. Ob es Todesangst war, Hass oder einfach purer Instinkt, die ihn dazu brachten, herauszukommen und das Feuer zu eröffnen – zu mehr war er nicht mehr in der Lage. Er drückte erneut ab, und dann noch einmal.
    Ich hatte Hemmungen, den Mann zu erschießen, aber ich hatte auch nicht vor, mich von einem Zufallstreffer niederstrecken zu lassen. Ich hob meine SIG und richtete sie auf seine Stirn. Ich wartete einen Sekundenbruchteil, dann sah ich eine kleine Blutrose mitten in seinem Gesicht aufblühen. Sein Hinterkopf explodierte in einem Schwall von Blut, Schädelfragmenten und Hirnmasse.
    Dantalion hatte den Arm über Bradleys Schulter ausgestreckt, Rauch kam aus dem Lauf seiner Glock.
    Dann richtete er die Waffe auf mich. Ich musste in Deckung gehen. Ich schaffte es bis zur Front des Kombis. Ich hatte keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, dass der Motorblock mich ausreichend vor den Kugeln schützen würde.
    Aber Dantalion schoss gar nicht. In den paar Sekunden, in denen ich meinen Kopf unten behalten hatte, hatte er sich rückwärts bewegt. Ich erkannte, wo er hinwollte. Der silberne Lincoln war der einzige noch fahrbereite Wagen. Dantalion öffnete die Fahrertür und stieß Bradley hinein, wobei er ihn mit ein paar Schlägen ins Gesicht aufforderte, sich zu beeilen. Bradley krabbelte auf den Beifahrersitz, und dann ließ Dantalion den Wagen an. Offenbar hatte er daran gedacht, Seagram die Autoschlüssel abzunehmen.
    Ich erhob mich.
    Ich hätte schießen können, befürchtete aber, Bradley zu treffen.
    Mir blieb nichts anderes als zuzusehen, wie der Lincoln mit quietschenden Reifen davonschoss.
    »Knowles? Knowles!«, hörte ich Kaufman schreien. Er kam über das Mäuerchen gesprungen wie ein olympischer Hürdenläufer. Dann schnappte er sich seinen Dienstrevolver und rannte zur Haustür. Ich warf einen letzten Blick auf den Lincoln, der auf die Ausfahrt zuraste, und betrachtete dann meinen Audi und den Kombi. Beide Wagen hatten mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Außerdem zerschossene Reifen. Damit würde ich Dantalion jetzt nicht mehr einholen können.
    Ich folgte Kaufman ins Haus. Seagrams Blutspur führte uns in die Küche, und was ich dort sah, brach mir das Herz. Ein Mann lag auf dem Rücken, seine Augen starr zur Decke gerichtet. Dass musste Agent Knowles sein, um den sich Kaufman gesorgt hatte. Schlimm genug, dass dieser Mann hatte sterben müssen, aber das gehörte nun mal zu den Gefahren seines Berufs. Was mir wirklich ans Herz ging, war die ältere Dame, die mit dem Kopf auf den Tisch gesunken war, mit dem friedlichen Lächeln, das nun für immer in ihr Gesicht eingemeißelt stand. Sie hatte für niemanden eine Bedrohung dargestellt. Dantalion hätte sie nicht umbringen müssen, er hatte es aus reiner Blutgier getan.
    Vorher hatte ich Walter noch gesagt, dass es sich diesmal nicht um eine persönliche Angelegenheit handelte. Ich hatte mich wohl getäuscht. Mit dem Mord an dieser harmlosen alten Frau hatte Dantalion sein Schicksal besiegelt: Ich würde nicht ruhen, bis ich ihm den letzten Atemzug aus dem Hals herausgepresst hatte.
    Kaufman tastete zaghaft die Kleidung des toten FBI-Mannes ab. Wahrscheinlich suchte er ein Telefon, um Verstärkung zu rufen. Ich holte mein eigenes Handy heraus und rief die einzige Verstärkung, die ich brauchte.
    »Rink.«
    »Ich bin hier, Hunter.«
    »Der Plan hat sich geändert, Kumpel.«
    Ich erzählte ihm, was passiert war. Er fluchte leise. Ich stand am Fenster und starrte über die Grünfläche hinweg auf die leuchtende See. Eine dunkle Silhouette zeichnete sich auf dem Rasen ab.
    Als ich meine Instruktionen an Rink beendet hatte, drehte ich mich zu Kaufman um. Er schrie immer noch aufgebracht ins Telefon.
    »Kaufman«, rief ich ihn laut.
    Er schien überrascht, als ob er meine Anwesenheit vergessen hätte. Er sah zu mir herüber.
    Ich zeigte aus dem Fenster.
    »Können Sie dieses Ding fliegen?«

37
    Jean-Paul St. Pierre war – ganz egal, was alle sagten – nie ein kränkliches Kind gewesen. Seine Vitiligo war eine reine Hautkrankheit, und obwohl sie ihm den grausamen Spott der anderen Kinder und gelegentlich auch Prügel einhandelte, so hatte sie doch nie seine körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Solange er sich unter der Sonne von Louisiana bedeckt hielt und seine Medikamente in

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