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Das Blutgericht

Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Hilton
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Himmel gefallen. Na ja, gefallen war er mit Sicherheit: von der Brücke auf Neptune Island gerammt und in die Wasserhölle des Meeres darunter verstoßen worden.
    Aber als Pessimist, der ich nun mal bin, musste ich mir eingestehen, dass ich ihn nicht hatte sterben sehen. Er konnte also immer noch irgendwo da draußen sein. Mit diesem Hintergedanken schob ich die SIG in meinen Hosenbund und suchte mir ein paar frische Socken. Ich zog meine Stiefel an, die von meinem Lauftraining immer noch staubig waren, dann befestigte ich das KA-BAR an meinem rechten Knöchel. Ein einfaches schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt war als Nächstes dran, darüber zog ich eine weite Leinenjacke. Eigentlich war es zu warm für Oberbekleidung, aber ich musste ja die Ausbeulung der SIG an meiner Hüfte irgendwie kaschieren. Ich hatte zwar einen Waffenschein dafür, aber der lautete nicht auf meinen richtigen Namen.
    Der umtriebige Harvey hatte bereits die Rechnung für das Zimmer bezahlt. Aber die Schlüssel musste ich noch zurückgeben, bevor ich ging. Ich häufte meine ganzen Habseligkeiten zusammen, räumte sie in einen Plastikmüllsack und knotete ihn zu. Im Vorbeigehen ließ ich den Müllsack auf den Rücksitz des Audi fallen und warf dann den Zimmerschlüssel durch die dafür vorgesehene Klappe an der Rezeption ein. Dann ging ich zurück zum Wagen und fuhr wieder auf den Dixie Highway. Mit jedem Meter wurde der Totempfahl kleiner im Rückspiegel.
    Der Dixie Highway verläuft durch Hobe Sound. Es war immer noch früh, noch nicht einmal acht Uhr, und die Straßen waren relativ leer. Hinter Hobe Sound schmiegte sich die Straße direkt an die Küste. Kurz danach fand ich die Zahlstelle und die Auffahrt zur Straße, die zuerst Jupiter und dann Neptune Island überquerte.
    Beim Fahren betrachtete ich die Boote, die den Inter-Coastal Waterway auf und ab fuhren. Die See schimmerte türkis vor dem hellen Sand. An manchen Stellen konnte ich bis auf den Meeresgrund blicken. Auch der Himmel war klar, nur am südlichen Horizont zeigte sich eine Dunstglocke, die von der Luftverschmutzung der Städte Miami und Miami Beach herrührte. Ein paar Kilometer über mir machte sich ein Passagierflugzeug auf den Weg über den Ozean. Ich konnte mir die niedergeschlagenen Gesichter der Urlauber vorstellen, die ihren letzten Blick nach unten auf das Paradies warfen. Wenn sie gewusst hätten, was am vorigen Abend hier vorgefallen war, hätten sie wohl ihre Meinung revidiert.
    Auf Neptune Island angekommen, parkte ich in einer Haltebucht neben einem Picknickplatz. Dort hatten sich bereits einige Familien versammelt, aber sie waren viel zu beschäftigt, den Ausblick und das herrliche Wetter zu genießen, als dass sie auf einen einzelnen Mann geachtet hätten, der ein Telefongespräch führte. Rink saß am Steuer, deshalb nahm Harvey Lucas das Gespräch an. Er schaltete den Lautsprecher ein, damit alle mithören konnten.
    »Ich hoffe, Rinks Witze sind Ihnen nicht zu geschmacklos, Mari?«, fragte ich, um sie ins Gespräch miteinzubeziehen. Mit Absicht hatte ich sie mit dem Namen angesprochen, den sie am liebsten hörte. Ich wollte ihr damit zeigen, dass ich vollkommen auf ihrer Seite war. Ab und zu musste ich mir ins Gedächtnis rufen, dass ich es mit einer Erwachsenen zu tun hatte.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Joe, alle beide verhalten sie sich wie perfekte Gentlemen«, antwortete Marianne. Sie hatte einen Singsang in der Stimme, als ob ihr einige ihrer schlimmsten Sorgen genommen worden wären. Ich hoffte nur, dass meine nächste Frage sie nicht wieder zwei Schritte zurückwerfen würde.
    »Was gibt es über letzte Nacht in den Nachrichten zu hören?«
    Harvey knurrte: »Glaubt man den Meldungen, dann ist der Dritte Weltkrieg ausgebrochen.«
    »Irgendwas Genaueres?«
    »Wenn du damit fragen willst, ob der Schütze aufgetaucht ist, dann ist die Antwort nein. Aber sie haben so einen alten Typen in der Nähe der Unfallstelle aus dem Wasser gezogen. Wenn er nicht gerade Pech hatte und ihm der Lincoln auf den Kopf gefallen ist, dann war es wohl Dantalion, der den Armen erledigt hat.«
    »Was hatte er denn da draußen zu suchen?«
    »Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er hat geangelt. Und bevor du fragst: Das Wasser ist zu tief, um darin herumzulaufen, er muss ein Boot dabeigehabt haben. Sieht so aus, als hätte Dantalion überlebt. Und schlimmer noch: Ihm ist die Flucht gelungen.«
    »Der Hurensohn«, fluchte Rink. »Ich hätte auf Nummer sicher gehen sollen.

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