Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
dass er ein halber Mann ist. Orikes zufolge ist er ein hoher General. Vielleicht ist dieses Kleid ja eine magische Rüstung.«
»Mit eingestickten Blumen darauf?«, fragte Ragnar ungläubig.
»Ich habe ja am Anfang auch nicht glauben können, dass ihr Varländer eure Bärte mit Schweineschmalz einfettet.«
»Das ist, damit der Bart nicht spröde wird, wenn man ihn flicht«, meinte Ragnar etwas ungehalten. »Außerdem schützt Schmalz die Haut bei Kälte. Was ist daran nicht zu verstehen?«
»Das wollte ich Euch schon gestern fragen«, meinte Stofisk neugierig. »Warum seid Ihr und König Angus glatt rasiert, Prinz Ragnar, wenn so viele Eurer Landsleute einen solchen Wert auf Bartwuchs legen?«
»Mein Weib störte sich seit jeher an meinem Bart«, sagte Ragnar in einem grollenden Unterton. »Ich zeige so auch einem Freund, dass ich zu ihm stehe. Gut, dass ihr gestern nicht gefragt habt, Ihr hättet es bereut.«
Angus, ein Varländer, der mir in Bessarein das Leben gerettet hatte und Ragnar buchstäblich über den Tod hinaus treu ergeben war, hatte man schuldlos geschmäht und geschändet, indem man ihm den Bart geschoren hatte, auf den er so stolz gewesen war.
»Das erklärt dann, warum ich in letzter Zeit öfter einen Varländer gesehen habe, der rasiert gewesen ist«, meinte Stofisk nachdenklich. »Euer Freund muss arg beliebt bei Eurem Volk sein.«
Ja. Sicher. Vor allem, nachdem jemand Angus in Vreldas Hörweite als König Bartlos verspottet hatte. Ragnar hatte mir erzählt, dass der Unglückliche danach von den Valkyrien, den weiblichen Schildwachen der Königin, gezwungen worden war, seinen eigenen Bart zu fressen. Offenbar mochte Ragnars Schwester ihren Mann.
»Ihr verkennt das«, meinte Ragnar knirschend. »Ich gebe Euch den Rat, nicht weiter zu fragen, sonst verliert Ihr noch den guten Willen, den Ihr Euch gestern bei uns angetrunken habt.«
»Lassen wir ihn nicht länger warten«, schlug ich hastig vor und bedachte den schlaksigen Leutnant mit einem warnenden Blick. »Wir haben keine Zeit für einen solchen Schwatz.«
»Der Götter Segen mit Euch«, begrüßte ich den Mann, der lächelnd aufsah. »Seid Ihr der Beobachter, den das Reich Xiang entsendet hat?«
Er nickte. Ich hielt ihm die Hand entgegen.
»Ich bin Ha…« Weiter kam ich nicht, da sich Stofisk rüde vor mich drängte, um sich vor dem Mann mit einem gewinnenden Lächeln zu verbeugen. »Dies ist Lanzengeneral Graf Roderik von Thurgau, Oberbefehlshaber der kaiserlichen Legionen, Paladin der Königin von Illian, Beschützer der südlichen Reiche, Beschützer und Held von Aldane, Berater und Freund der Kalifa von Bessarein und ihres Prinzgemahls. Streiter im Namen der Astarte und Soltars Engel.«
»Ich bin Ragnar«, sagte Ragnar. »Stimmt es, dass ihr aus Reis Bier braut?«
Ich meinte, ganz deutlich Stofisks Stöhnen zu vernehmen.
»Yoshi«, antwortete der Mann mit unverändert feinem Lächeln, und nur eine gesetzte Geste mit dem Fächer deutete an, dass dies sein Name war, bevor er sich Ragnar zuwandte, der vor ihm aufragte wie ein Berg. »Ja. Wir machen auch Wein daraus.«
»Ich mag Bier lieber«, meinte Ragnar.
Ser Yoshi neigte leicht den Kopf. »Ich weiß.«
Als wir den Torraum erreichten, winkte uns die Feder, die die Toraufsicht führte, schon mit heftigen Gesten herbei und wies auf eine Stelle neben den beiden Handkarren, die bis über den Rand mit Mehlsäcken beladen waren.
Wir eilten dorthin, vielmehr eilten Ragnar und ich, Ser Yoshi dagegen folgte uns gemessenen Schrittes.
»Lanzengeneral!«, rief Stofisk und hielt ein Schreibbrett hoch. »Eine weitere Nachricht für Euch!« Er warf es mir zu, Ser Yoshi tat den letzten Schritt und zog den Saum seines Kleids über die goldene Umrandung. Ein Soldat ließ den letzten Stein am Rand in die Vertiefung fallen … meine Ohren knackten, und ich fing das Schreibbrett auf.
Wo eben noch offener Raum gewesen war, schränkten uns nun Mauern aus grauem Feldstein ein. Vor uns gab es eine schwere Tür aus leicht verrostetem Stahl; sie stand offen und gab den Blick frei auf einen schmalen Gang und eine steile Treppe … und auf einen über beide Backen grinsenden Major Blix. Und Leandra, die mich mit einem langen Blick bedachte, bis dann endlich doch ein Lächeln auf ihrem Gesicht erschien.
»Das wurde auch langsam Zeit.«
Hölzerne Erinnerungen
24 Später, als Serafine sich neugierig in meinem alten Gemach umsah, das ich seit Jahrzehnten nicht mehr betreten hatte, ließ sie
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