Das Blutschwert
Diese Erkenntnis warf Buffy für einen Moment aus der Bahn. Dann zeigte ihr Gesicht einen entschlossenen Ausdruck. »Origami. Dieser abgestorbene Bonsai-Baum wurde aus dem Boden gerissen.« Sie schlug sich an die Stirn. »Der Chia-Pet-Garten! Daran hat er mich erinnert.«
Eilig erzählte sie Angel von dem japanischen Freundschaftsgarten. »Der Garten in Sunnydale existiert noch immer«, sagte sie. »Möglicherweise besteht zwischen ihm und dem in Kobe irgendeine unheimliche Verbindung. Vielleicht gibt es eine Art Strudel oder so. Und Willow als Vampir wird in ihn hineingezogen.«
»Nun, es gibt nicht viele andere Orte in Sunnydale, wo man einen Bonsai-Baum bekommen kann«, überlegte Angel und nickte.
»In L. A. findet man sie in jedem Einkaufszentrum«, sagte Buffy fast wehmütig. Plötzlich vermisste sie ihr altes, normales Leben mehr als je zuvor. Sie hatte all diese unheimlichen Dinge satt. Jedes Mal, wenn sie sich an ihre Rolle als die Jägerin gewöhnt hatte, schien irgendetwas zu passieren und alles zu verändern.
Angel sah zum Fenster hinüber.
»Es bleibt noch rund achtzehn Minuten hell«, sagte Buffy, als sie seinen Blick bemerkte, und schnappte nach Luft. »Wenn man die Jägerin ist, können achtzehn Minuten ein ganzes Leben sein.«
Angel nickte wieder. »Geh. Ich komm nach, sobald die Sonne untergegangen ist.«
Sie küsste ihn auf die Lippen und wandte hastig ihr Gesicht ab, damit er ihre Furcht und ihre Besorgnis nicht sah. »Bis gleich.« »Ich beeile mich«, versprach er, aber Buffy lief bereits die Treppe hinauf.
Ein schmaler Streifen Sonne war noch immer am Horizont sichtbar, als sie in Cordelias Wagen stieg. Der Himmel erglühte an einem Ende in einem grellen Rosa und am anderen in einem tiefen, fast gespenstischen Blau.
Buffy ließ den Motor an und betete, dass sie nicht von der Polizei gestoppt wurde. Die Scheibe an ihrer Metallkette klirrte leise, als wäre sie eine Zeitbombe, die bereits tickte.
Giles kam keuchend und schnaufend mit einem ledergebundenen Buch in den Armen zurück, als Xander gerade die Badezimmertür schloss und sich zurück zum Bett schleppte. Der Wächter blieb verdutzt stehen.
»Xander, warum liegst du nicht im Bett?«, fragte er. Doch noch bevor Xander antworten konnte, sah er zu Cordelia hinüber und erkundigte sich: »Hat Buffy angerufen?«
»Ups«, machte Cordelia und wirkte irgendwie schuldbewusst. »Ich meine, nein.«
Xander sah seine Freundin neugierig an und fragte sich, was dieses »Ups« wohl zu bedeuten hatte, doch dann konzentrierte er sich wieder auf Giles.
»Cor sagte, Sie wollten ein anderes Buch holen«, erklärte er und deutete mit dem Kopf auf den Gegenstand in Giles’ Armen.
»Bitte? Oh, ja. Ja.« Giles lächelte tatsächlich. »Es ist nur so, dass ich mich wahnsinnig freue, dass du wieder auf den Beinen bist. Aber du solltest trotzdem besser im Bett bleiben.«
»Ja, sicher.«
»Er wollte nicht die Bettpfanne benutzen«, warf Cordelia hilfsbereit ein.
»Vielen Dank, Schwester Chase«, knurrte Xander und verdrehte die Augen. Dann sah er Giles auffordernd an. »Also«, sagte er.
»Also«, sagte Giles.
»Das Buch!«, deutete Xander an.
Giles nickte. »Richtig, das Buch.« Sein Lächeln wurde breiter.
»Wie manche zu sagen pflegen: Bingo!«
Xander rieb sich die Hände. »Dann also Bingo. Und jetzt bitte le-so.«
»Ja.« Und Giles las.
Im alten Japan gab es zwei Hinrichtungsmethoden, und zwar Strangulieren oder Opferung, was so viel hieß wie Verbrennen. Das Vergießen von Blut behagte der empfindsamen japanischen Seele nicht. Allerdings wurde mit der Verbreitung des Buddhismus Harakiri die bevorzugte Methode, wobei sich das Opfer freiwillig eine Schwertklinge in den Unterleib bohrt und seine Eingeweide zerfetzt, was mit beträchtlichem Blutverlust einhergeht (und, wie man hinzufügen muss, auch wenn dies taktlos erscheinen mag, mit nahezu unvorstellbaren Schmerzen). Wenn möglich, wurde der Kopf des Verurteilten ohne viel Aufwand mit einem anderen Schwert abgetrennt, um ihm weitere Qualen zu ersparen. Allerdings glaubten die Japaner, dass die Seele ihren Sitz im Unterleib hat. Deshalb galt es als große Schande, geköpft zu werden, bevor die Seele aus dem Körper befreit werden konnte.
»Und das wollen wir ja nicht«, scherzte Xander.
»Sei still«, fauchte Cordelia. »Giles, lesen Sie bitte weiter«, fügte sie liebenswürdig hinzu.
Nach der rituellen Magie des alten Japan ist es möglich, einen Geist in einem unbelebten Objekt
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