Das boese Blut der Donna Luna
Amandas Handynummer, doch sie antwortete nicht. Seltsam, das Handy war aus, zu dieser Zeit, im Dienst? Sie wies Gerolamo an, auf die Spurensicherung zu warten und herauszufinden, ob jemand im Präsidium verfügbar war, der den Besitzer der verrammelten Garage ausfindig machen und die Schlüssel dazu auftreiben könnte. Dann machte sie sich, elektrisiert von den Neuigkeiten, aber auch mit einem mulmigen Gefühl auf den Weg zu »Mani amiche«. Schon bald sollte sie erfahren, dass sie allen Grund dazu hatte.
Der Anwalt Manara war dabei gewesen, als Gerolamo Nellys Anruf erhalten hatte, und Amanda Sacco ebenfalls. Gerolamo hatte die Inspektorin zur Seite genommen und ihr gesagt, wo die Kommissarin gerade war und dass er zu ihr kommen sollte. Er hatte nicht bemerkt, dass der Mann, der zu weit weg gestanden hatte, um zuzuhören, seine Lippen gelesen hatte. Nachdem Gerolamo fort war, war der Anwalt zaghaft auf Amanda zugetreten und hatte sie gebeten, ihm zu folgen, er habe etwas Interessantes gefunden, was für die Ermittlungen womöglich von entscheidender Bedeutung sein könnte. Amanda war nicht von gestern und wusste genau, dass Manara aufgrund seines Profils und der Sachlage als Täter infrage kam, doch die Vorstellung, etwas herauszubekommen und vor Tano Esposito gut dazustehen, nachdem sie sich derart in die Nesseln gesetzt hatte und sich von ihm hatte den Kopf waschen lassen müssen, war einfach zu verlockend. Und dazu am helllichten Tag und mit einem Haufen Leute um sich herum, außerdem wusste jeder, dass sie hier war, was war schon dabei. Also hatte sie beschlossen, ihm zu folgen. Es war ein Fehler, vielleicht der letzte, den Amanda machen würde.
»Was soll das heißen, sie waren hier und sind es nicht mehr? Und wo waren Sie, Giuliano?«
»Wo war ich, wo war ich, in meinem Büro war ich, bin rein- und rausgerannt, dann habe ich einen Anruf gekriegt und bin eine halbe Stunde im Rathaus gewesen, um ein paar Anträge auf den Weg zu bringen. Hier bei uns ist immer viel los, woher soll ich wissen, wo Chicco und Ihre Kollegin hingegangen sind? Am besten fragen wir, ob irgendjemand was gesehen hat.«
Der Anwalt und die Polizistin hatten sich offenbar in Luft aufgelöst. Wieder einmal musste Nelly feststellen, wie unzuverlässig Zeugenaussagen waren, selbst, wenn sie in bestem Glauben gemacht wurden. Einer hatte sie im ersten Stock gesehen, ein anderer im vierten, wieder ein anderer hatte sie gar nicht gesehen, dann sagte ein Junge, er hätte sie zusammen weggehen sehen. Eine Putzfrau schwor, sie hätte gesehen, wie die Sacco auf die Toilette gegangen sei. Ja, nein, vielleicht, na ja ... sie waren mitten in der Menschenmenge, die bei »Mani amiche« herumwuselte, vom Erdboden verschluckt worden. Nelly ließ sich ein Glas Wasser geben, um einem Schwächeanfall vorzubeugen, und rief im Präsidium an, um für die Suche Verstärkung anzufordern. Ein einziger, vollkommen erschöpfter Polizeibeamter namens Alberighi kam. Sie suchten das ganze Gebäude ab. Don Silvano war nicht da, Giuliano und ein paar der vom Verein Betreuten halfen mit und führten sie durch das Labyrinth des renovierten mittelalterlichen Hauses. Keller mit eingeschlossen.
Nichts. O Mist. Amanda verschwunden, wie Gemma. Vom Aussehen passen sie auch noch ins Schema. Nicht zu groß, schlank, jung, dunkel. Allerdings sind sie keine Immigrantinnen. Aber was denke ich denn da? Möglicherweise gibt es eine ganz andere Erklärung, und Amanda und Manara tauchen gleich wieder auf ...
Nelly versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl Amanda Saccos Handy noch immer ausgeschaltet war, ohne dass es dafür eine Erklärung gegeben hätte, und der momentane Hauptverdächtige verschwunden war. Mit der Inspektorin? Ohne sie? Die Mobiltelefone der beiden blieben stumm. In seinem Büro in der Via XX Settembre war er nicht, zu Hause ebenso wenig. Er hatte sich wie Amanda bei »Mani amiche« in Luft aufgelöst. Nelly spürte eine mit Panik gemischte Übelkeit in sich aufsteigen. Ihr Kopf weigerte sich, daran zu denken, welche Folgen das Verschwinden der Journalistin und der Kollegin haben könnte, was mit den beiden geschehen konnte, wenn Manara tatsächlich Simba war. Und diese Vermutung verhärtete sich immer mehr.
Oh, welch süßer Gedanke, dass bald alles vorbei sein wird, verbraucht, im Strudel des Nichts verschwunden. Das Opfer wird erbracht werden, und die Rettung ist zum Greifen nah. Alles Elend hinter sich lassen, die Trübsal, die Qualen der Leidenschaft. Ja, er hatte
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