Das boese Blut der Donna Luna
einem anderen Moment wäre sie sauer geworden, aber jetzt nicht. Sie ließ sich gegen das Kissen fallen und winkte ihn herein, er trat neben das Bett, küsste sie sanft auf die Wange, ließ ihr die duftenden Rosen in den Schoß regnen und zog sich einen Stuhl heran.
»Danke, Tano, wie wunderschön. Sag, wie geht es Amanda Sacco?«
»Körperlich einigermaßen. Sie liegt ein paar Türen weiter, und nachher gehe ich auch zu ihr, aber es heißt, sie sei schwer traumatisiert. Es wird eine Weile dauern, bis sie die Erinnerungen an den Kerl und an diese Schlachtbank überwunden hat. Sie hat gesehen, wie Gemma Pieretti ermordet wurde und auch Avvocato Manara. Er hat ihn vor den Augen der beiden Frauen in Zeitlupe erdrosselt. Dann war Gemma an der Reihe. Das arme Mädchen, für sie sind wir zu spät gekommen. Danach wollte er unserer Amanda das Gleiche angedeihen lassen. Kannst du dir vorstellen, wie die sich gefühlt hat, von wegen den Tod vor Augen! Der schiere Horror, ist noch milde ausgedrückt.«
»Aber wieso hat er das getan? Wieso?«
»Glaubst du wirklich, so etwas kann man erklären? Allerdings, halt dich fest!, kennen wir seine Sicht der Dinge. Er war nicht nur ein Serienkiller, sondern auch noch schreibwütig, er hat alles mit buchhalterischer Genauigkeit festgehalten, jedes Verbrechen, er hat keine Frage offengelassen, er war in seine »Arbeit« verliebt, erklärt, wie er’s angestellt hat, wann und wie er sie geschnappt und transportiert hat. Er benutzte den vor Monaten in einer anderen Region geklauten Ducato mit einem falschen Nummernschild, das identisch mit dem vom Club »Speranza« war, und er hatte denselben Aufkleber, um die Spuren zu verwischen.
Wir wissen nicht, wie er’s geschafft hat, uns Amanda und Avvocato Manara unter der Nase wegzuschnappen, das wird uns Amanda sagen, wenn’s ihr besser geht. Alle haben ihm vertraut, ist ja klar, der nette, freundliche Jurist von ›Mani amiche‹, so ein tüchtiger Junge. Diese Ärmsten sind ihm wie reife Birnen in den Schoß gefallen, und bei uns stand er auch nicht ganz oben auf der Verdächtigenliste. Don Silvano muss ihm irgendwie auf die Schliche gekommen sein, deshalb musste er sterben.«
»Aber die drei Südamerikaner? Es stimmt schon, Balmir hat Manara nicht in die Wohnung gehen sehen, aber sie gehörte seiner Mutter ...«
Tano hob beschwichtigend die Hände.
»Ich muss dir noch eine brandneue Neuigkeit erzählen: Zanni war der leibliche Sohn von Lucrezio Manara. Hat alles Valeria herausgefunden, diesmal hat sie sich echt selbst übertroffen. Sie hatte es schon gestern gewusst, aber wir hatten sie nicht ausreden lassen. Der berühmte Gräzist hat ihn erst spät bekommen, da war er schon weit über fünfzig, und zwar von einer Hausangestellten, einer gewissen Margherita Zanni. Er hat ihn zwar nie anerkannt, ihm aber das Studium finanziert und dafür gesorgt, dass sein Bruder und sein Neffe, also Manaras Vater und Manara selbst, ihm einen Job in ihrer Kanzlei gaben. Das ist ihm nicht gut bekommen, denn das Söhnchen hat seine juristischen Kenntnisse dazu genutzt, ihn auf Anerkennung der Vaterschaft zu verklagen, mit Vaterschaftstest und allem. Der Prozess stand noch bevor. Jedenfalls ist in den Jahren, die er allein mit seiner Mutter und ihren wechselnden Männern verbracht hat, bis sie schließlich mit einem nach Modena gezogen ist und ihn mit gerade mal sechzehn Jahren mittellos und allein zurückgelassen hat, sein Hass auf die Frauen und auf Manara geboren. Aber nicht deshalb hat er seinen Cousin umgebracht«, Tano hob die Hand, damit Nelly ihn nicht unterbrach, »nein, nein, nein, das war nur das Sahnehäubchen auf der Torte. Aber du bist müde, ruh dich aus, wir reden weiter, wenn es dir wieder besser geht.«
»Was, du spinnst wohl?! Wenn du mir nicht sofort alles erzählst, werde ich vor Neugier platzen, und dann bist du schuld an meinem vorzeitigen Ende. Los, Tano, spuck’s aus!«
Nelly rutschte im Bett hin und her, und ein paar Rosen glitten zu Boden.
»Du bist wirklich unverbesserlich! Na schön, jedenfalls war die Wohnung, die du mit Gerolamo gefunden hast, der Köder, den Zanni für Diego und seine Freundin Dolores ausgelegt hat. Ihre Freundin, die in Nervi im Nachbarhaus gearbeitet hat, konnte sich erinnern, dass Dolores ihr angedeutet hatte, sie würden sich vielleicht eine Wohnung anschauen. Das arme Mädchen hatte sich wahrscheinlich von ihrem Freund überreden lassen, ihrer ›Wohltäterin‹ zu kündigen und mit ihm
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