Das boese Blut der Donna Luna
zusammenzuziehen, wer weiß? Und das Haus in Apparizione ... das Haus in Apparizione hat ihm das Väterchen zur Verfügung gestellt, um ihn bei Laune zu halten. Früher oder später hätte er sich sowieso mit ihm einigen müssen, spätestens nach Anerkennung der Vaterschaft. Aber die Schlüssel und den Zugang hatte Giuliano schon seit einem Jahr. Die Zukunft sah rosig aus für ihn, aber inzwischen war er völlig durchgedreht. Offenbar wegen Flores.
Sie hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hat es mit allen getrieben, schreibt er, Don Silvano eingeschlossen. Wegen des Alters und der Kohle, die er aller Wahrscheinlichkeit nach von seinem Vater bekommen hätte, habe sie ihn sich als Freund gehalten, aber ansonsten habe sie nach Herzenslust in der Gegend rumgevögelt. Wahr? Falsch? Über sie hat er sich seitenweise ausgelassen.
Er hat sie im Affekt ermordet, weil sie ihm gestanden hatte, dass sie schwanger sei, und er war fest davon überzeugt, der Vater wäre Don Silvano. Er hat sie verbrannt und irgendwo in der Nähe des Hauses verscharrt. Wir suchen noch. Da hat es bei ihm Klick gemacht. Die Fundorte der Leichen sind Stellen, an denen er sie mit anderen Männern gesehen hat, er ist ihr nachgeschlichen, war völlig besessen. Im Grunde war es immer sie, die er umgebracht hat, die er wieder und wieder ›geläutert‹ hat. Die Position der Leichen ... angeblich hat sie so geschlafen. Nur die Sache mit den verschwundenen Köpfen ... die verstehe ich beim besten Willen nicht.«
»Steht darüber nichts in seinen Aufzeichnungen?«
»Nicht explizit. Er muss an einer Art schizoider Persönlichkeitsspaltung gelitten haben, an manchen Stellen nennt er sich ›er‹, der Rächer, der Gerechte. Außerdem hatte er religiöse Wahnvorstellungen und war davon besessen, die Frauen, die in einer ähnlichen Lage wie seine Mutter und seine Geliebte waren, zu ›retten‹, von den Widrigkeiten des Lebens und der Sünde zu ›befreien‹. Er hat sich an Don Silvano gerächt, der Flores in seinen Augen missbraucht hat (was noch zu beweisen ist) und ihn verdächtigte, und das Gleiche gilt womöglich auch für Manara. Es sieht so aus, als sei der arme Avvocato impotent und seine Schwärmerei für Flores rein platonisch gewesen. Meiner Meinung nach hat auch Manara was gerochen, und das war der Hauptgrund, weshalb er ihn umgebracht hat.«
»Aber wie konnte er ihn und Amanda am helllichten Tag bei ›Mani amiche‹ schnappen und verschwinden lassen?«
»Das wird uns, wie gesagt, Amanda erzählen, sobald es ihr ein bisschen besser geht. Er muss sie betäubt und irgendwo versteckt haben, und später hat er sie dann weggebracht. Noch steht sie unter Schock und kann nicht sprechen. Hoffen wir mal, dass sie sich wieder berappelt. Um elf ist eine Pressekonferenz, deshalb bin ich so geschniegelt. Und du ruh dich jetzt aus.«
»Ach was, ruh dich aus, ruh dich aus! Gestern war ich bei der Aktion dabei«, sie schwang die Beine aus dem Bett, »und jetzt unterschreibe ich und gehe. Und sieh mich nicht so an, ich bin nicht verrückt. Oder war mein Traum etwa nicht real, na?«
Tano breitete resigniert die Arme aus und schüttelte den Kopf. Nelly rief die Krankenschwester und verlangte nach einem Arzt. Ihre Ohnmacht sei längst nicht so ernst gewesen wie ihr Zusammenbruch vor zwei Tagen, meinte der, und sei vor allem der Schwäche und der Anspannung geschuldet gewesen. Er verschrieb ihr ein paar kreislaufstärkende Mittel und entließ sie ohne Probleme.
Nelly zog sich an und machte sich auf den Weg zu Tano, der gerade bei Amanda war. Die Ärmste stand unter Beruhigungsmitteln und war völlig abwesend. Auf Bitten der Ärzte ließen sie sie in Ruhe. Tano brachte Nelly im Auto nach Hause und begleitete sie in die Wohnung. Die Katzen waren halb verrückt vor Hunger und strichen ihnen so lange maunzend um die Beine, bis sie eine doppelte Portion Futter bekamen. Tano setzte sich auf die Terrasse und ließ den Blick über die lichtüberflutete Stadt und das in der Morgensonne funkelnde Meer gleiten, während Nelly unter die Dusche sprang.
Das laue Wasser rann wohltuend an ihr herab, doch die Bilder der vergangenen Nacht ließen sie nicht los, das sinnlose Grauen des Wahnsinns. Giuliano Zanni, der nette, offene junge Kerl, ein verrückter, durchgeknallter Psychopath mit zwei Leben, dem »normalen« und dem tief in seinem Innern verborgenen, heimlichen, voller Obsession, Hass und Tod. Allein mit seinen Wahnvorstellungen. Das Stimmchen zischte unnennbare
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