Das boese Blut der Donna Luna
klang müde, sosehr er sich auch um einen entschlossenen, lockeren Tonfall bemühte.
»Also, wie ich unserer Dottoressa Rosso bereits sagte, nach Meinung unseres Profilers«, leises Grinsen bei den Anwesenden, deutlicheres Feixen bei Marco, ernstes Gesicht bei Nelly, »führt uns der Mörder dahin, wo er will, indem er Leichen auslegt wie Stationen auf einem irrwitzigen Parcours. Wir müssen uns also aufs Schlimmste gefasst machen, denn nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge können wir davon ausgehen, dass er wieder zuschagen wird, allerdings wissen wir weder wo noch wann. Der Polizeichef ist in ständigem Kontakt mit mir und zieht in Erwägung, früher aus dem Urlaub zurückzukehren, was ...«
»... nicht zu wünschen ist«, schlossen die anderen grinsend im Chor. Tano setzte eine tadelnde Miene auf, und die anderen guckten gespielt reuig.
»Spaß beiseite. Es wäre natürlich schön, wenn wir den Fall lösten, ohne ihn bemühen zu müssen, schließlich sitzen uns schon die Presse, das Fernsehen und die öffentliche Meinung im Nacken. Wir arbeiten unter Hochdruck. Ich fasse jetzt die Sachlage kurz zusammen, danach wollen wir uns die neuesten Ermittlungsergebnisse anhören.«
Als Tano geendet hatte, war Amanda Sacco an der Reihe. Sie hatte die Apotheken und Krankenhäuser abgeklappert, um dem Curare-Gemisch auf die Spur zu kommen, mit dem die Opfer ruhiggestellt worden waren. Ohne Erfolg. Gegenwärtig war es unmöglich festzustellen, wie sich der Mörder das Gift verschafft hatte.
»Ein Arzt? Anästhesist? Apotheker? Pfleger? Einer, der jemanden dergleichen in der Familie hat?«, schloss Amanda entmutigt. »Die Möglichkeiten sind endlos, auch wenn’s Muskelrelaxans nicht im Supermarkt zu kaufen gibt.«
Ratlose Gesichter, Kopfschütteln. Dann war Tommi Bentivegna dran, der zusammen mit Fattori die einschlägigen Zuhälter und Menschenhändler unter die Lupe genommen hatte. Es waren keine Fehden bekannt. Das Business lief weiter wie bisher, alles war ruhig, und vielleicht auch der Hitze wegen kümmerte sich jeder um seinen eigenen Kram. Natürlich herrschte unter den Frauen und Transen noch immer Angst und Unsicherheit. Die Gruppen misstrauten einander. Die Zuhälter waren auf der Hut und versuchten nach Kräften, die Mädchen aus ihrem Stall im Auge zu behalten und sich die Autonummern der Freier zu notieren, was denen wiederum gar nicht recht war. Sobald sie es bemerkten, machten sie sich mit quietschenden Reifen aus dem Staub. Die Morde waren Gift fürs Geschäft. Sollten die Zuhälter den Mörder zu fassen kriegen, würden sie ihn der Polizei gewiss ganz oder in mundgerechten Happen auf dem viel beschworenen Silbertablett servieren. Nelly bemerkte, dass sie sich wie Palmieri mit der Hand übers Kinn fuhr, und musste lachen.
Dann gab es noch neueste Informationen über die Opfer. die Geschichten glichen sich, auch wenn die Mädchen aus ganz unterschiedlichen Winkeln der Erde stammten: Armut, der Traum von einem besseren Leben, Gewalt und am Ende die Straße. Das galt vor allem für Balmirs Mädchen Samira und Lena. Was Paulette betraf, sah es so aus, als wäre sie nie auf den Strich gegangen, sie war sogar noch Jungfrau gewesen. Malina, das andere Mädchen von Madame Claire, war, wenn man so sagen wollte, mit ihrem Leben zufrieden und Madame dankbar gewesen. Wenn man den Worten der Mädchen von Madame Claire Glauben schenken konnte, empfanden sie ihr gegenüber Hochachtung und Dankbarkeit und nannten sie sogar maman . Sie machten einen wohlgenährten, offenen und selbstbewussten Eindruck.
Im Grunde ihres Herzens war Nelly froh darüber. Die Vorstellung, Claire könnte eine üble Ausbeuterin sein, hätte sie traurig gemacht. Jetzt war sie sich sicher, dass Claire nicht zu den schäbigen Gestalten gehörte, die sich sonst in diesem finsteren Milieu herumtrieben. Ihrer ganz persönlichen Meinung nach war sie in gewisser Weise vielleicht tatsächlich eine Wohltäterin. Auch in ihrer Heimat hätten diese bitterarmen Mädchen womöglich den gleichen Weg eingeschlagen, nur mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, an Krankheit und Elend zugrunde zu gehen.
Nelly schüttelte den Kopf, um die Rechtfertigung ihrer schwarzen Freundin nicht zu weit zu treiben, doch es war nichts zu machen, Claire gefiel ihr. Unter anderen Umständen hätte die ein ganzes Unternehmen geführt. Aber tat sie das nicht auch so? Dann rief sie sich noch einmal das Vorgehen des Mörders ins Gedächtnis: Die Mädchen, den Spuren nach an
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