Das boese Blut der Donna Luna
ihm Auftrieb gegeben. Er hatte Tano und Nelly zugehört und war zu dem Schluss gekommen, man sollte es vielleicht doch der Presse stecken, dass man einen prominenten Kriminologen zu den Ermittlungen hinzugezogen hatte. Das würde ihrer Arbeit Bedeutung verleihen und zeigen, dass man sich ernsthaft ins Zeug legte. Vielleicht sollte man – er natürlich – mit dem bekannten Kriminologen im Fernsehen auftreten, in einer landesweit ausgestrahlten Sendung, die sich mit derartigen Fällen befasste.
Tano und Nelly wollten ihren Ohren nicht trauen. Als der Staatsanwalt ihre Verlegenheit bemerkte, fügte er hastig hinzu: »Natürlich würde an dieser Stelle nur ganz allgemein über das Thema gesprochen und nur auf bereits gelöste oder nicht vollends aufgeklärte, aber verjährte Fälle, auf cold cases Bezug genommen werden. Die aktuellen Ermittlungen unterliegen selbstverständlich dem Untersuchungsgeheimnis.«
»Vielleicht sollten wir damit warten, bis der Fall gelöst ist. Zu diesem Zeitpunkt, denke ich, wo wir noch nichts in den Händen haben, würden wir nicht besonders gut dastehen, Dottor Laurenti. Außerdem würde ich davon abraten, Palmieris Namen bekannt zu machen. Immerhin rennt da draußen ein mordender Psychopath herum, der ihn auf seine Abschussliste setzen könnte, meinen Sie nicht?«
»Nun ja, was Palmieri betrifft, haben Sie vielleicht recht, Dottor Esposito. Aber vielleicht hat jemand etwas gehört oder gesehen, und wenn er von dem Fall aus dem Fernsehen erfährt, erinnert er sich daran und ruft an; in Deutschland gibt es so eine Sendung, und die funktioniert ausgezeichnet. Das Fernsehen ist eben nicht nur Schund, es kann auch hilfreich sein.«
Tano und Nelly reagierten noch immer verständnislos. Doch es war klar, dass Laurenti nicht lockerlassen würde. Er wollte ins Rampenlicht, mit oder ohne Palmieri. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, waren die beiden schweigend Richtung Bar geschlendert, wo sie noch immer seufzend in ihrem inzwischen lauwarmen Cappuccino herumrührten.
»Ich glaub’s einfach nicht«, knurrte Tano als Erster, »der will auf Kosten dieser armen Mädchen Werbung für sich machen.«
»Wenn man heute nicht im Fernsehen auftaucht, ist man eben ein Niemand. Aber das muss er mit seinem Gewissen ausmachen. Nur glaube ich nicht, dass das den Ermittlungen besonders zuträglich sein wird, im Gegenteil. Der Mörder findet es vielleicht toll, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen, und bringt noch mehr Leute um. Vielleicht will der ja auch nur ins Fernsehen. Was Palmieri angeht, der ist sowieso oft im Fernsehen, um seine Bücher vorzustellen. Aber ihn mit diesem Fall in Verbindung zu bringen und eventuell die Aufmerksamkeit des Mörders auf ihn zu lenken halte ich nicht für ratsam, da bin ich mit dir einer Meinung. Das könnte für ihn tatsächlich gefährlich werden. Es wäre interessant zu wissen, wie er das sieht. Auch den Narzissmus von Kriminellen. Übrigens, wir treffen Palmieri um fünf, richtig? Hat er dir gesagt, ob er bis dahin schon ein Profil des Täters fertig haben will?«
»Ja, deshalb sollen wir ja zu ihm kommen. An den Fundorten ist er fast in eine Art Trance gefallen. Wie ich Laurenti schon sagte, er meinte, es seien äußerst evokative Orte.«
»Und was evozieren sie? Kennt er noch mehr solcher Orte, wo unser Freund vielleicht das nächste Mädchen ablädt?«
»Er meint, die Berge und der Park von Nervi seien nicht zufällig gewählt worden, um bequem und möglichst unbeobachtet eine Leiche abzuladen, vielmehr seien es Schlüsselorte einer inneren Landkarte, Orte, an denen etwas für ihn Bedeutendes passiert sei, etwas, das ihn geprägt hat. Nach seinem ›Abstieg‹ ans Meer werde er schwerlich wieder in die Berge zurückkehren, wir müssten bald mit einem neuen Verbrechen rechnen – er meint, gegen Ende der Woche, Gott weiß, wieso –, und höchstwahrscheinlich wieder an der Küste oder sogar in der Stadt.«
Nelly zog den Terminkalender aus ihrer geräumigen Wildledertasche und studierte ihn, während Tano seinen Cappuccino austrank.
»Und, Nelly, Ferienpläne? Da musst du dich noch ein bisschen gedulden«, stichelte er. Doch Nelly blieb todernst in ihren Kalender vertieft. Sie hörte ihn nicht einmal. Mit dem Kuli malte sie unverständliche Zeichen und Symbole auf die Seiten. Dann schien ihr wieder einzufallen, dass der Polizeivize neben ihr saß.
»Er könnte recht haben. Nächsten Montag sind wir zum Beispiel im letzten Viertel. Es könnte also genau
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