Das boese Blut der Donna Luna
greifbar. Alle setzen sich, Palmieri in einem blendend weißen Anzug, der ihn fast unwirklich erscheinen lässt, das Gesicht in einer undurchdringlichen Miene verschlossen, Tano trägt Uniform (zum Niederknien) und versucht vergeblich, Nellys Blick zu erhaschen. Marco Auteri, sportlich in tabakfarbenen Hosen und beigefarbenem Sakko, aufgekratzt, weil dieser heikle und tags zuvor noch unlösbar scheinende Fall endlich abgeschlossen ist und weil er mit seiner Vermutung von Anfang an richtiggelegen hatte. Dem von Commissario Nelly Rosso herangezogenen Superprofiler zum Trotz.
»Gleich kommt Laurenti, dann kann’s losgehen.«
Tano bricht das Schweigen und sieht sie unsicher an.
»Und was will er der Presse sagen? Dass wir den Schuldigen gefunden haben und der Fall gelöst ist? Dass die Sache damit erledigt ist?«
»Na ja, Nelly, so ungefähr. Zumindest wird er sich sehr optimistisch geben, auch wenn wir die Autopsieergebnisse erst am späten Vormittag bekommen.«
»Entschuldige, Tano, aber wäre es nicht besser gewesen, die Ergebnisse abzuwarten und die Pressekonferenz zu verschieben, um nicht eventuell hinterher etwas richtigstellen zu müssen?«
»Ich habe mit Volponi am Telefon gesprochen, er drängt darauf, dass wir den Fall so schnell wie möglich abschließen. Laurenti hat auch nicht länger warten wollen. Und Alessandro«, der Profiler nickte, »ebenso wenig. Wie du bemerkt haben wirst, entspricht Sonni dem Profil. Das Alter stimmt, er ist männlich, einsam, Schwierigkeiten mit Frauen, die Mutter ist von zu Hause weg, als er noch klein war, also Hassgefühle gegen das schwache Geschlecht, der Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Er hat eine Drogenvergangenheit, Probleme mit sich selbst, eins kommt zum anderen. Es besteht sogar die konkrete Möglichkeit, dass er alle Mädchen bei ›Mani amiche‹ getroffen hat, wie du herausgefunden hast. Und das bestärkt unsere Theorie.«
»Und die Köpfe? Wo sind die Köpfe? Haben wir die gefunden?«
Tano und die anderen sehen sie genervt an wie einen Spielverderber. Der Polizeivize weiß nicht, was er antworten soll, und trommelt mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte.
»Nein«, gibt er widerwillig zu, »die Köpfe sind nicht da. Nicht mal die Unterhosen. Und auch der Ort nicht, an den er die Opfer gebracht hat, und auch das Werkzeug nicht, mit dem er die Köpfe abtrennte, ebenso wenig der Ducato oder das Transportmittel, mit dem er sie erst lebend und dann tot durch die Stadt kutschiert hat. Es fehlen noch so einige Puzzleteilchen, du hast recht, Nelly. Doch das heißt nicht, dass die Grundkoordinaten falsch sind. Er hat das Narcuron mitgehen lassen. Er hat sich umgebracht, weil wir drauf und dran waren, ihn zu schnappen.«
»Auf der Narcuron-Packung sind Sonnis Fingerabdrücke. Und möglicherweise hat er sich umgebracht, weil er zum zweiten Mal an einem Fundort gesehen wurde, also reine Logik ...«, schaltet sich Auteri mit unsicherer Stimme ein.
»Marco, ich habe nur ein paar der Fragen gestellt, die uns die Journalisten um die Ohren hauen werden. Nur ein paar. Ich sage nochmals, es wäre besser gewesen, die Pressekonferenz um ein paar Stunden oder einen Tag zu verschieben. Aber jetzt ist es zu spät, basta, Schwamm drüber.«
»Sie sind von Sonnis Schuld nicht überzeugt, Nelly? Wieso nicht?«
Palmieri mustert sie aufmerksam. Argwöhnisch wie immer. Feindlich.
»Weil unser Mörder eine, wie Sie mich gelehrt haben, raffinierte und intelligente Person ist, Alessandro, ein planvoll vorgehender Serienkiller, und Gianluca Sonni war ein ziemlich schlicht gestrickter, plumper Kerl. Der leicht die Kontrolle verlor. Und weil«, sie sieht ihm direkt in die Augen, »die Köpfe unauffindbar sind. Und auch die Unterhosen der Opfer. Seine Trophäen, wie Sie es nennen. Und aus zahlreichen anderen Gründen, die ich gerade genannt habe und die zu klären wären. Wie auch immer, das Wichtigste ist, dass Laurenti nicht von einem gelösten Fall spricht, dass er uns das Türchen einen Spaltbreit offen lässt, damit wir gegebenenfalls zurückrudern können. Wir haben Sonni gefasst, und wir haben ihn wieder laufen lassen. Verflixt noch mal, versteht ihr denn nicht, wir haben ihn laufen lassen, weil eine ermordet wurde, während er im Kittchen saß. Versteht denn keiner, was das heißt? Wollen wir uns wirklich damit zufriedengeben?«
Ein bleiernes, beklommenes, ebenso ratloses wie gereiztes Schweigen erfüllt den Raum. Dann ringt sich Tano durch, etwas zu sagen.
»Ja, das
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