Das boese Blut der Donna Luna
alles ist leider wahr. Falls er nicht schon selbst daran gedacht hat, werde ich Laurenti raten, die ungelösten Punkte mit einem eventuellen Komplizen zu erklären. Das ist sowieso das Wahrscheinlichste. Aber das ist schrecklich, die öffentliche Meinung will endlich beruhigt sein, stattdessen kriegen sie von uns zu hören, dass es mindestens zwei Mörder gibt. Einer ist tot, aber der andere läuft noch frei herum.«
»Wir sagen ihnen nur die Wahrheit, Tano, und schützen uns vor unschönen Überraschungen und berechtigter Kritik.«
»Ich kann Dottoressa Rosso nicht ganz widersprechen. Die zeitliche Unstimmigkeit während des dritten Mordes ist entscheidend – selbst wenn das in Sonnis Wohnung gefundene Muskelrelaxans seine Beteiligung belegt. Es wäre allerdings möglich, dass das dritte Opfer, durch dessen Fund Sonni das erste Mal entlastet wurde, lediglich das Werk eines sogenannten Trittbrettfahrers war, eines psycholabilen Nachahmers, der die Verbrechen eines Serienkillers kopiert, um ebenfalls Aufmerksamkeit zu bekommen. In Amerika heißen solche Leute copycat . Das ist nicht ausgeschlossen und gibt Anlass zu der Hoffnung, dass es sich dabei um einen Einzelfall und nicht um einen Komplizen gehandelt hat.«
»›Lediglich‹ und ›Einzelfall‹ klingt für mich ziemlich vage und fragwürdig. Wenn dieser ...« – »Trittbrettfahrer, Nelly.« – »Danke, Alessandro. Wenn dieser andere Irre unseren Mörder einmal kopiert hat, wieso sollte er es nicht noch mal tun?«
»Himmel, wie entsetzlich ... Ah, guten Tag, Dottor Laurenti.«
Laurenti ist wie aus dem Ei gepellt, ganz in Blau und sehr elegant. Weißes Hemd, gelbblaue Krawatte. Er wirkt ziemlich hibbelig.
»Guten Tag, alle miteinander. Die Journalisten warten bereits, wollen wir gehen?«
»Einen Moment bitte, Dottor Laurenti. Zuerst müssen wir noch ein paar Punkte klären.«
Tano hält ihn zurück und sieht dem überraschten und gereizten Staatsanwalt ruhig ins Gesicht.
Die Pressekonferenz war ein Albtraum. Nach einer hektischen Unterredung mit Esposito und Palmieri hatte Laurenti den Tenor der Pressemitteilung erheblich abgewandelt, doch es war klar, dass er innerlich kochte. Die »Divergenzen«, die ihn von einem vollen Erfolg trennten, machten ihn rasend, doch er musste der versammelten Presse und dem Fernsehen einige davon servieren. Alarm vorbei oder nur aufgehoben oder unterbrochen, ein Mörder, zwei, eine Gruppe, die Journalisten gingen schließlich, abgespeist mit einem Haufen Gerede und wenigen Informationen bis auf die, dass ein verhafteter und wieder auf freien Fuß gesetzter Verdächtiger zweifellos in die Verbrechen verwickelt war und sich höchstwahrscheinlich umgebracht hatte, weil die Polizei kurz davor war, ihn zu fassen. Es war auch nicht ausgeschlossen, dass man es mit einer satanischen Sekte zu tun hatte, mit einer Gruppe Fanatiker. Die Sache mit der satanischen Sekte war auf Palmieris Mist gewachsen und von Laurenti dankbar aufgenommen worden, gab es doch im Augenblick weder Beweise dafür noch dagegen. Sollte noch etwas passieren (sprich, kopflose Leichen), könnte man die Theorie wieder aus dem Hut ziehen, wenn nicht, umso besser.
Kaum war die Pressekonferenz vorüber, hatte Staatsanwalt Laurenti Palmieri untergehakt und war mit ihm verschwunden, um die letzten Einzelheiten des gemeinsamen, für die kommende Woche avisierten Fernsehauftritts zu klären. Nelly nahm unterdes Marco zur Seite, keiner hörte, was sie ihm sagte, doch am Ende war der Vizekommissar sehr blass und sah aus wie ein geprügelter Hund, während Nelly grußlos in ihrem Büro verschwand.
Die Autopsieberichte lagen hübsch geordnet auf ihrem Schreibtisch, Valeria lebe hoch. Heißhungrig stürzte sie sich darauf, überflog sie eilig, ging sie mehrmals durch und hatte sich gerade Gianluca Sonnis Bericht noch einmal vorgenommen, als die Tür aufflog und Tano mit grimmigem Gesicht ins Zimmer trat. Sie blickte auf und sah ihn an, als hätte man sie in einem äußerst heiklen Moment gestört. Er schloss die Tür, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich vor ihren Schreibtisch. Gespanntes Schweigen.
»Nelly, ich wollte mit dir über gestern reden. Ich weiß nicht, was mit dir los war, aber ...«
»Was mit mir los war?«
Oje, Gewitter im Anmarsch, dachte Tano.
»Schon gut, schon gut, lass uns nicht wieder damit anfangen, vielleicht ist es die Hitze, die uns alle kirre macht, aber seit einiger Zeit benimmst du dich ziemlich merkwürdig. Du scheinst was
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