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Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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digitalisierte Ziffern in der unteren rechten Ecke des Bilds. Ein Stechen, vielleicht eine neue Wehe, vielleicht auch nicht, ließ sie auf die Knie sinken, und die Fotos fielen ihr aus der Hand, ein stumpfes Schiefergrau vor den Blau- und Rosttönen des Perserteppichs.
    Will war auf den Beinen und dann bei ihr auf den Knien, und sein Gesicht war vor Schrecken ausdruckslos.
    » Soph? Hat es angefangen?« Er griff nach dem Autoschlüssel, nahm die Krankenhaustasche, stellte sie wieder hin, nahm sein Telefon. » Soll ich Ruth anrufen?«
    Er wusste nicht, dass er ertappt worden war, und paradoxerweise verlieh ihm das eine Art Unschuld. Dieser merkwürdige Gedanke ritt auf dem Wellenkamm des bisher stärksten Gefühls . Mit klauenförmiger Hand griff sie nach dem schlimmsten der Bilder.
    » Was ist… was ist das?«
    Will fasste das Foto mit Daumen und Zeigefinger. In seinem Gesicht sah Sophie Entsetzen, Fassungslosigkeit und wieder Entsetzen. Er taumelte regelrecht zurück, bis er fast wieder im Wohnzimmer war.
    » O Gott, zum Teufel«, sagte er. » Ich kann das erklären…«
    Sophie ließ sich auf Hände und Knie sinken. Will kam mit ausgestreckten Armen wieder auf sie zu. Sie winkte ihn weg.
    » Hör zu, wir können später darüber reden«, sagte er, » aber jetzt bringe ich dich in die Klinik.«
    » Nein!«, sagte Sophie mit einer Heftigkeit, die ihren ganzen Körper erschauern ließ. » Nein! Ich will nicht… Ich lasse mich von Ruth fahren. Und wenn du mitkommst, sage ich, du bist gewalttätig, ich sage, du bist betrunken, und ich erlaube nicht, dass sie dich hereinlassen. Wenn es sein muss, lasse ich die Polizei rufen. Das meine ich ernst, Will.«
    Er wurde still. Sie sah, dass sie ihn verwundet hatte. Gut. Sie sah auch, dass er überlegte, ob er ihre Vergangenheit gegen sie verwenden sollte. Schlecht. Er öffnete den Mund, und in der Sekunde des Zögerns, bevor er sprach, fauchte sie: » Wag es ja nicht.«
    Sie sah ihm an, dass er sie nicht herausfordern würde. Vielleicht wusste sie nichts von dem, was er schon getan hatte, aber was er tun würde , konnte sie immer noch voraussehen. Immer noch auf den Knien sammelte sie die Fotos ein und steckte sie ins Seitenfach ihrer Krankenhaustasche.
    Eine neue Welle von Schmerz rollte heran. Kein Gefühl, sondern Schmerz , ein unbezwingbarer Schmerz, der ihre Glieder zittern und vor ihren Augen alles verschwimmen ließ. Die Welt schrumpfte auf diesen Schmerz zusammen, der sie von allen Seiten attackierte. Sie kapitulierte davor. Sie hatte ihn genauso wenig unter Kontrolle wie alles andere.

DREI
    Freitag, 1. November 2013
    Sie hatten auf ihrer Reise nach Devon den Punkt erreicht, wo der Kampf darum, dass die Kinder endlich einschliefen, zu Ende ging und das Spiel begann, sie möglichst wachzuhalten, bis sie ihr Ziel erreichten. Es war Halbzeit, und ihre Aufregung steuerte allzu früh dem Höhepunkt entgegen. Will öffnete alle Fenster. Hier und da wehte der Wind von Guy-Fawkes-Feuern in der kalten Abendluft. Nachdem sie dem Radio behutsam zugeredet hatte, fand Sophie einen Sender, der beschwingte Musik spielte, und sie drehte die Lautstärke auf, um die beharrlichen Molltöne von Charlies Gequengel zu übertönen.
    Die vertraute Straße nach Far Barn war diesmal mit Zweifeln und Angst gepflastert. An diesem Wochenende zusammenzukommen und Lydias Asche zu verstreuen war zum Zeitpunkt der Verabredung eine gute Idee gewesen. Je näher es heranrückte, desto klarer wurde, dass Zeit und Geschichte, Ort und Zweck jeweils die Last eigener Bedeutungen in sich trugen, die in ihrer Summe unerträglich sein würden. Die Familie hatte die Feiern zur Guy-Fawkes-Nacht immer ebenso ernsthaft betrieben wie das Weihnachtsfest und besuchte jedes Jahr am ersten Sonntag im November das Volksfest in Ottery St. Mary. Neben dem riesengroßen Feuer und einer Kirmes fand dort das Rollen der Teerfässer statt, ein Volksbrauch, bei dem auf Gesundheit und Sicherheit gepfiffen wurde und dessen Ursprünge vom Rauch der Jahrhunderte verschleiert waren. Die Einheimischen tobten durch die engen georgianischen Straßen und trugen lodernde Teerfässer auf den Schultern. Sophie schloss die Augen und stellte sich die Stadt vor: die Ladenfassaden, die sich seit ihrer eigenen Kindheit kaum verändert hatten, die immer gleichen, freundlichen alten Gesichter, die Pubs. Fast konnte sie den Geruch des Holzfeuers riechen, den Schießpulverdunst des Feuerwerks. Die Tradition war ihr tröstlich erschienen, als sie

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