Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Maultierkadaver. Aasvögel verdunkelten den Himmel. Das Geheul und die Attacken der Wölfe trieben die Totengräbertrupps zur Verzweiflung. Der Gestank der Toten war ein stetiger, unablässiger Angriff.
Eine gemeinsame Kommission amerikanischer und mexikanischer Offiziere einigte sich auf die Kapitulation von Monterrey unter der Bedingung, dass der mexikanischen Armee erlaubt werde, sich mit ihren Waffen aus der Stadt zurückzuziehen. Die Evakuierung dauerte drei Tage. Die Mexikaner marschierten mit wirbelnden Trommeln und hoch wehenden Bannern davon. Die Yankee-Truppen murrten und sahen sie vorbeiziehen, und einige erkannten die Deserteure unter ihnen und verfluchten sie. Besonders Riley war das Ziel ihrer Verwünschungen und finsteren Warnungen. Er spuckte und starrte geradeaus, doch Lucas Malone grinste in die wütenden Gesichter der Yankees und erkannte Master Sergeant Kaufmann unter ihnen und bedachte ihn und alle anderen mit einer obszönen Geste. Ein Platoon von Iren, die die Treue gehalten hatten und die Deserteure hassten, weil sie den guten Ruf aller Söhne Irlands besudelten, wollte sich auf ihn stürzen, wurde aber von den berittenen Offizieren zurückgetrieben. »Wir kriegen sie noch, Jungs«, hörte John einen Yankee-Offizier sagen. »Ihr werdet sehen. So weit können die gar nicht rennen, dass wir sie nicht kriegen, bei Gott.«
13 Sie zogen sich 250 Meilen nach Süden zur Silberbergwerkstadt San Luis Potosí zurück, mehr als eine Meile hoch in den Bergen, und sammelten sich dort erneut. Santa Anna war wie erwartet aus Kuba zurückgekehrt und wurde von seinen Landsleuten als Erlöser bejubelt. Er übernahm das Kommando über die Armee und bildete sie zur Befreiungsarmee des Nordens um. Er erteilte den San Patricios die Erlaubnis, ihre eigene Flagge zu hissen, und Riley beauftragte die Nonnen des örtlichen Klosters, ein Banner nach seinem Entwurf zu fertigen. Grüne Seide war es, auf einer Seite mit einem Kleeblatt und einer Harfe, gesäumt vom mexikanischen Wappen und dem Motto »Libertad por la Republica Mexicana«, und unter der Harfe das Motto »Erin go Bragh«. Auf der anderen Seite war eine Abbildung des heiligen Patrick mit einem Schlüssel in der linken Hand und einem Stab in seiner Rechten, der eine Schlange festnagelt. Unter der Abbildung stand der Name »San Patricio«. Die Männer der Kompanie jubelten begeistert bei der ersten Entfaltung des Banners. John war überrascht, dass er sich von diesem Emblem bewegt fühlte, von dieser leuchtend grünen Fahne der Entwurzelten und Verdammten.
Während der nächsten vier Monate exerzierten sie, bereiteten sich vor und rekrutierten, und in dieser Zeit desertierten weitere fünfzig Amerikaner aus Taylors Armee und schlugen sich nach San Luis durch, um sich den Saint Patricks anzuschließen. Riley widmete sich rückhaltlos ihrer Ausbildung. Der Verlust von Monterrey hatte seine Gewissheit erschüttert, dass Mexiko den Krieg gewinnen würde gegen die Amerikaner – oder Gringos, wie die Mexikaner die Angreifer nannten. Der Name war von
Green grow the rushes
abgeleitet, einem Lied, das sie die Yankees oft singen hörten. Handsome Jack versuchte es zu verbergen, doch John und Lucas konnten sehen, dass sein Vertrauen in die mexikanische Armeeführung seit Monterrey erheblich geschrumpft war.
Doch wenn Rileys Glaube an die Führer der Armee nachließ, wurde seine Hingabe an die Saint Patricks immer größer – und er duldete bei seinen Kameraden keinerlei Glaubensverlust. Im November desertierten zwei Männer der Kompanie. Eine Woche später wurden sie, als Zivilisten gekleidet, auf dem Weg nach Tampico gefangen genommen, auf der Suche nach einem Schiff, das sie außer Landes brachte. Sie wurden in Handschellen nach San Luis zurückgebracht und wegen Fahnenflucht vor Gericht gestellt. Die Recht sprechenden Offiziere waren ein Regiments-Infanterieoberst namens Gomez, Captain Moreno und Lieutenant Riley. Alle drei votierten für eine Verurteilung. Oberst Gomez war gegen die Todesstrafe, wurde aber von Moreno und Riley überstimmt. Riley beantragte, das Erschießungspeloton befehlen zu dürfen, was ihm auch gewährt wurde. Er befahl allen Saint Patricks, der Hinrichtung beizuwohnen.
»Was für eine ernste Sache Fahnenflucht ist, weiß keiner besser als die, die selbst desertiert sind«, sagte er der versammelten Gesellschaft. »Ein Mann mag guten Grund haben, einmal zu desertieren, ja, aber wer zweimal desertiert, erweist sich als untreuer Vagabund, der
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