Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
gekleidet, und manchmal war sie nackt und fragte ihn, ob er es tun wolle, und dass sie täte, was immer er wolle, weil er ihr Bruder sei und sie ihn liebe und niemand anderen in der Welt habe, der sie liebte. Manchmal war sie so strahlend schön, dass er weinen wollte. Doch manchmal war ihr Körper mit hässlichen, stinkenden, eiternden Geschwüren bedeckt und ihr Gesicht grauenhaft verzerrt, und sein Entsetzen ließ sein Blut gefrieren wie Eis.
Zu anderen Zeiten saß Daddyjack am Fuß seines Bettes und grinste aus einem fleischlosen, einäugigen Schädel und sagte zu ihm: »Sieh dich nur an, liegst in deiner eigenen Scheiße und kannst kaum mehr richtig atmen wegen der Schmerzen. Teufel, mein Junge, bist nicht mehr viel wert, stimmt’s?« Und manchmal war er wieder in dem qualmenden, regendurchnässten Gemetzel von Monterrey, sah das zerfetzte Fleisch und hörte die unweltlichen Schreie und roch Ausdünstungen, die so grauenhaft waren, dass sie aus den Eingeweiden der Hölle selbst hätten kommen können.
15 Als er endlich aus dem Fieber emportauchte, fand er seine Hand in der einer jungen Schwester, die sagte, sie heiße Elena. Ihre Mestizenaugen leuchteten wie dunkles Wasser im Mondlicht. Sie war von Jesuiten erzogen worden und sprach gut Englisch. Sie nannte ihn Juanito und sagte, man sei überzeugt gewesen, er würde es nicht schaffen, aber sie habe jede Stunde darum gebetet, er möge nicht sterben. Er war beinahe zwei Wochen dort gewesen und zu Haut und Knochen zusammengeschrumpft, und sein ganzer Körper schmerzte bis ins Mark. Sie erzählte ihm, er habe in seinem Fieberwahn oft geschrien und über Personen mit seltsamen Namen fantasiert, aber jetzt gehe es ihm gut und er bräuchte nur Ruhe und Pflege und Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie erzählte ihm von Santa Annas Sieg über die Gringos bei Angostura – das die Yankees Buena Vista nannten – und von dem hohen Preis, der dafür bezahlt worden war. In Angostura seien auf beiden Seiten viel mehr Menschen getötet worden als in Monterrey. Es werde, so berichtete Elena, viel über die Kompanie der San Patricios geredet, die so tapfer gekämpft hatte, obwohl beinahe die Hälfte von ihnen als gefallen gemeldet worden war. Sie wusste wenig über die Schlacht, doch auf sein Drängen versuchte sie so viel wie möglich herauszufinden. Sie erfuhr, dass weder Juan Riley noch Lucas Malone auf der Liste der Gefallenen stand, dass Juan Riley sogar zum Captain befördert worden war für seine herausragende Führerschaft und Tapferkeit, die er in der Schlacht bewiesen hatte. Moreno war zum Oberst befördert worden, und Santa Annas Armee war jetzt wieder in San Luis Potosí.
Eine Woche später saß er aufrecht und trank Brühe und sein Fieber war zurückgegangen. So groß war der Bedarf an Hospitalbetten, dass Elenas Bitte stattgegeben wurde, den Kranken in ihre Obhut zu entlassen. Sie nahm ihn mit nach Hause, wo sie mit ihrer Mutter lebte. Ihr Vater war ein gebildeter Mann spanischer Abstammung gewesen, ein Kreole, und war als Offizier in Santa Annas Armee im Krieg gegen Texas bei San Jacinto gefallen. Sie hatte keine Brüder. Die Mutter war eine winzige Person und hütete ihr winziges Zimmerchen, an dessen Wänden Kruzifixe und Dutzende von Heiligenikonen hingen. Hier verbrachte sie ihre Tage und Nächte in geflüstertem Gebet.
Elena fütterte und wusch ihn, bis er stark genug war, es selbst zu tun. Sie hielt ihn über den Fortgang des Krieges auf dem Laufenden. Taylor war nach Monterrey zurückgekehrt und hatte offenbar den Befehl, dort zu bleiben.
Mitte März trafen Berichte ein von einer Yankee-Landung knapp außerhalb des Golfhafens von Veracruz. Die Stadt lehnte die Kapitulationsforderungen der Amerikaner ab. Drei Wochen später kam Elena mit der Nachricht heim, General Winfield Scott habe die Stadt drei Tage und Nächte beschossen. Die Stadt sei schrecklich verwüstet worden, bevor sie kapitulierte. Alle sagten, Scott würde sich jetzt landeinwärts in Marsch setzen, in Richtung der Berge und dann weiter nach Mexiko-Stadt, und dort würde der Krieg entschieden. Und es gebe jetzt Gerüchte, erzählte sie ihm mit leiser Stimme, als könnte sie in ihrem eigenen Haus abgehört und vielleicht als Verräterin verdächtigt werden, dass Santa Anna wegen Angostura gelogen habe, dass es gar kein Sieg gewesen sei.
In den ersten Tagen des Aprils war er stark genug, um das Krankenbett zu verlassen, und er nahm die meisten seiner Mahlzeiten draußen in dem
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